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Stecken wir schon wieder in einer Vermögenspreisinflation?
Ausgabe vom 23.04.2020
Schlechte Daten können die aktuelle Käuferstimmung nicht trüben
von Sven Weisenhaus
Als die Einkaufsmanagerdaten für den Monat März veröffentlicht wurden und diese bereits einen deutlichen Einbruch der Wirtschaft anzeigten, war klar, dass diese wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht hatten. Denn insbesondere in den USA hatte sich das Coronavirus zu diesem Zeitpunkt gerade erst so richtig ausgebreitet (siehe auch Börse-Intern vom 25. März). Zwar waren die Länder der Eurozone etwas früher dran, doch auch hier haben sich die Einkaufsmanagerdaten für den Monat April erwartungsgemäß noch weiter eingetrübt.
Einkaufsmanager so pessimistisch wie nie zuvor
Der deutsche Gesamt-Einkaufsmanagerindex, der Industrie und Dienstleister zusammenfasst, ist für April auf 17,1 Punkte und damit auf einen neuen Tiefststand seit Beginn der Datenerhebung vor über 22 Jahren gefallen. Bereits im Vormonat hatte sich der Frühindikator mit (revidiert) 35,0 Punkten weit von der Wachstumsschwelle (50) entfernt, ab der Wachstum signalisiert wird.
Dabei sind die Dienstleister angesichts der bislang noch zumeist geschlossenen Läden natürlich pessimistischer als das verarbeitende Gewerbe. Der Service-Index brach auf ein Rekordtief von 15,9 (März: 31,7) und der Industrie-Index mit 34,4 (März: 45,4) Zählern auf den tiefsten Wert seit 133 Monaten bzw. über 11 Jahren ein.
Der Einkaufsmanagerindex, der die Geschäfte von Industrie und Dienstleister der Eurozone zusammenfasst, fiel für den Monat April auf 13,5 Punkte und damit ebenfalls auf den tiefsten Wert seit Beginn der Datenerhebung (Juli 1998), nach (revidiert) 29,7 Punkten im März.
Die Daten für Dienstleistung und Industrie haben sich analog zur Lage in Deutschland entwickelt: Der Indikator für Serviceanbieter brach auf ein Rekordtief von 11,7 (März: 26,4) und der für das verarbeitende Gewerbe mit 33,6 (März: 44,5) Zählern auf den tiefsten Wert seit rund elf Jahren ein.
Die Stimmungswerte fielen jeweils deutlich schlechter aus als von Experten ohnehin erwartet. Laut diesen Daten sind Industrie- und Service-Sektor so stark geschrumpft wie nie zuvor. Für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Euro-Zone deutet sich einen Rückgang um annähernd 7,5 % auf Quartalsbasis an. Die Commerzbank geht davon aus, dass die Wirtschaft im Währungsraum im laufenden Quartal um bis zu 10 % schrumpfen könnte, nach einem Minus von geschätzt 4 % im 1. Quartal.
Schlechte Daten können die aktuelle Käuferstimmung nicht trüben
Doch mit den Einkaufsmanagerdaten vom April dürfte nun das volle Ausmaß der Pandemie erfasst sein. Es sind kaum noch schlechtere Werte zu erwarten. Vielmehr ist eine Erholung wahrscheinlich, weil einige Beschränkungen inzwischen gelockert wurden. Zwar muss dennoch für das gesamte 2. Quartal 2020 mit dem stärksten Einbruch der Wirtschaftsleistung in der jüngsten Geschichte gerechnet werden, weil die Maßnahmen nur schrittweise gelockert werden, doch man ist solche Meldungen inzwischen offenbar gewohnt, auch dass die Erwartungen verfehlt werden. Und wohl deshalb haben die Märkte heute nicht mehr negativ reagiert.
Weitere Millionen Arbeitslose in den USA
Ähnliches gilt für die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA, die mit aktuell 4,427 Millionen niemanden mehr vom Hocker hauen konnten.
Vielmehr haben die Aktienmärkte mit Bekanntgabe dieser Daten noch einmal einen Schub nach oben erhalten.
EZB kauft auch zukünftige Ramschanleihen
Geholfen hat sicherlich auch, dass die Europäische Zentralbank (EZB) gestern erklärt hat, künftig auch Ramschanleihen als Sicherheiten zu akzeptieren, sofern die Anleihen diesen Status erst durch zukünftige Herabstufungen erhalten. Experten gehen davon aus, dass Länder wie Italien und viele Unternehmen ihre Investmentgrade-Einstufung bei Ratingagenturen verlieren werden. Und dann könnte die EZB nach ihren bisherigen Vorgaben keine Schuldscheine dieser Betroffenen mehr erwerben. Allerdings steigen die Risiken, die sich die EZB mit der neuen Regelung in ihre Bilanz holt, natürlich deutlich. Aber wie so viele zunehmende Probleme kehren auch dies die Anleger aktuell beiseite.
Vermögenspreisinflation
Ich halte das alles für einen gefährlichen Mix. Meine Skepsis bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung - ich gehe kaum von einem schnellen V-förmigen Verlauf aus - und der aktuellen Bewertung der Aktienmärkte wird insofern immer größer. Doch es muss nicht unbedingt noch einmal zu stark fallenden Aktienkursen kommen. Denn die enormen Anstrengungen der Notenbanken und Regierungen, die Wirtschaft und die Finanzmärkte zu stützen, indem sie große Mengen Geld zur Verfügung stellen, kann zu einer sogenannten „Asset-Price-Inflation“ führen, also zu einem Anstieg der Vermögenspreise.
Mit einer solchen Vermögenspreisinflation bezeichnet man den nachhaltigen Preisanstieg bei Vermögenswerten wie Aktien, Anleihen, Gold und Immobilien. Sie unterscheidet sich deutlich von der Inflation, die über die Verbraucherpreise bemessen wird. Der Verbraucherpreisindex umfasst nämlich keine Vermögenswerte. Und so können die Verbraucherpreise, auch aufgrund der Globalisierung, weiter niedrig bleiben oder in Folge der aktuellen Krise sogar sinken, während die Vermögenswerte weiter ansteigen. Eine Vermögenspreisinflation kann also auch ohne eine Verbraucherpreisinflation entstehen.
Wir haben eine solche Entwicklung in den vergangenen Jahren bereits erlebt. Doch auch eine Vermögenspreisinflation ist Schwankungen unterworfen. Und es stellt sich die Frage, ob die Märkte jetzt schon nachhaltig von der Liquiditätsflut nach oben getrieben werden oder bei den Anlegern in Kürze doch noch einmal die Skepsis überwiegen wird, wie es bei mir und einigen meiner Kollegen aktuell der Fall ist. Bleiben Sie vorsichtig!
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
www.stockstreet.de
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