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Gehen die Aktienmärkte noch einmal auf Tauchstation?
Ausgabe vom 03.04.2020
Gehen die Aktienmärkte noch einmal auf Tauchstation?
von Sven Weisenhaus
Wie gestern bereits angekündigt, wurde heute der offizielle US-Arbeitsmarktbericht für den Monat März veröffentlicht. Dabei galt es zu beachten, dass die Daten die jüngsten Meldungen der Arbeitslosen noch nicht vollständig beinhalten. Und so ist die US-Arbeitslosenquote bislang auch „nur“ auf 4,4 % gestiegen, von zuvor 3,5 %. Wobei dies schon der stärkste monatliche Anstieg seit 1975 ist.
Lag die Zahl der neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft in den vergangenen Monaten bei ca. 200.000, so wurden im März 701.000 Stellen abgebaut.
Auch damit sind wir nun wieder klar zurück in den Zeiten der Finanzkrise.
Haben die Anleger den Ernst der Lage noch nicht hinreichend erkannt?
Doch auch auf diese Zahlen hat der Aktienmarkt wieder relativ gelassen reagiert, obwohl sie deutlich unter den Erwartungen lagen. So wurden im Durchschnitt lediglich ein Anstieg der Arbeitslosenquote auf 3,8 % und ein Abbau von rund 100.000 Stellen erwartet. Es liegt damit der Verdacht nahe, dass viele Anleger den Ernst der Lage noch nicht hinreichend erkannt haben.
Neue Konkurrenz im Kampf um den Titel des größten Schwarzmalers
Vorgestern hatte ich noch geschrieben, dass aktuell ein allgemeiner Trend hin zu immer pessimistischeren Prognosen herrscht. Goldman-Analysten kämpfen dabei an vorderster Front um den Titel als größter Schwarzmaler, mit der Erwartung eines Rückgangs des US-BIP im 2. Quartal um 34 %. Nun hat die Bank neue Konkurrenz bekommen. Nach Prognosen von Morgan Stanley wird Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA im gerade begonnenen 2. Quartal sogar um 38 % sinken. Die Arbeitslosenquote soll auf 15,7 % im Hoch steigen. Etwa 21 Millionen Stellen sollen dabei wegfallen.
Auch in der Eurozone wird die Lage noch dramatischer
Derweil sind in Europa die Einkaufsmanagerdaten in ihrer endgültigen Fassung noch schlechter ausgefallen als am Mittwoch vergangener Woche mit den vorläufigen Daten bereits berichtet (siehe auch „Massive Wirtschaftseinbrüche“). Der Einkaufsmanagerindex für den deutschen Service-Sektor sank zum Beispiel von 52,5 nicht nur auf 34,5 Punkte, sondern sogar auf 31,7.
Auch das Barometer für die Dienstleister in der Euro-Zone fiel noch stärker als zunächst gemeldet. Es sank von 52,6 auf 26,4 Punkte, statt „nur“ auf 28,4. Laut IHS-Markit deuten diese Daten auf einen Einbruch der Euro-Wirtschaftsleistung von annähernd 10 % hin.
Doch damit dürfte das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein. Denn der Absturz des Index für den italienischen Servicesektor auf 17,4 oder der für den spanischen auf 23,0 Punkte dürfte ein Vorgeschmack auf das sein, was den anderen Ländern, die etwas später mit Geschäftsschließungen und Ausgangs- oder Kontaktsperren auf die Virusausbreitung reagiert haben, noch bevorsteht. Die Eurozone wird mit den pessimistischsten Prognosen zur US-Wirtschaft wahrscheinlich noch konkurrieren.
Gehen die Aktienmärkte noch einmal auf Tauchstation?
Es ist nicht untypisch, dass die Aktienmärkte nach den zuvor rasanten Kursverlusten derzeit Kurserholungen erleben. Charttechnisch geben sie damit aktuell ein völlig normales Bild ab. Und die Konsolidierungen können daher auch noch etwas länger anhalten. Aber ich muss bei der Analyse der Wirtschaftsdaten und Prognosen aktuell davon ausgehen, dass zum Beispiel der DAX seinem Korrekturtief bald wieder näher sein wird als der 10.000er Marke. Schließlich nehmen immer mehr Unternehmen ihre bisherigen Planzahlen zurück, ohne neue zu liefern. Und auch Dividenden werden inzwischen vermehrt gestrichen.
Anlegern fehlt es bald völlig an Orientierung
Die Anleger geraten damit immer mehr in einen Blindflug. Woran soll man sich bei der Bewertung eines Unternehmens noch orientieren, wenn neben Kennzahlen wie einen Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) oder einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) selbst so simple Kennzahlen wie eine Dividendenrendite nicht mehr ermittelt werden können oder zumindest massiv sinken bzw. auf null fallen?! Was ist ein Unternehmen aktuell wert, dessen Umsätze und Gewinne einbrechen, die sich aber nach der Krise womöglich schnell erholen?
Zumal auch Kennzahlen wie ein Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) stark variieren können. Was ist ein Flugzeug wert, das nicht fliegt? Was ist eine Maschine wert, die nicht produziert? Wo liegt der Wert eines Fuhrparks, den derzeit niemand abkaufen möchte? Vor genau zwei Wochen hatte ich noch geschrieben, dass die Commerzbank den Buchwert des DAX mit 8.700 Punkten angegeben hat. Wenig später las ich, dass die Helaba den Buchwert des DAX nur auf 8.200 Punkte taxiert.
(Quelle: Helaba)
Genaue (Kurs-)Prognosen sind daher natürlich nach wie vor extrem schwierig. Vielleicht sind die Einkaufsmanagerdaten zu pessimistisch. Vielleicht sind die Aktienkurse bereits weit genug gefallen. Vielleicht ist die Krise schneller vorüber, als befürchtet. Vielleicht aber auch nicht.
Folgt auf die Coronavirus-Krise eine neue Staatsschuldenkrise?
Vielleicht folgt auf die Coronavirus-Krise sogar eine neue Staatsschuldenkrise, wie es auch nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA der Fall war. Die Commerzbank warnt heute jedenfalls vor genau dieser Nachwirkung. Und Italien wird sehr wahrscheinlich unter den Schutzschirm des Rettungsfonds ESM schlüpfen müssen.
Ich kann daher nur sagen, dass ich bei einem DAX-Stand zwischen 8.700 und 8.200 Punkten derzeit wesentlich lieber zukaufe als bei den aktuellen Kursen von 9.500 oder gar 10.000 Zählern.
DAX: Auf den nächsten Impuls kommt es an
Charttechnisch hat der deutsche Leitindex noch Chancen auf eine weitergehende Kurserholung, da er sich bislang noch vollständig oberhalb seines Ausbruchsniveaus (roter Bereich im folgenden Chart) befindet, was natürlich bullish zu werten ist. Doch die Seitwärtskonsolidierung (gelbes Rechteck) hält im Verhältnis zum vorangegangenen Anstieg schon relativ lange an. Und zusammen mit der Tatsache, dass der DAX sein Mindestziel einer Gegenbewegung (38,20%-Fibonacci-Retracement) noch nicht erreichen konnte, spricht dies eher für eine Schwäche des Index. Zumal die Konsolidierung tendenziell von fallenden Hochs geprägt ist (rote Linie) und der Druck auf die 9.500er Marke dadurch zunimmt.
Letztlich kommt es aber auf den in Kürze zu erwartenden Kursimpuls an. Nicht selten kommt es zu einem Kurssprung, nachdem die Volatilität zuvor stark abgenommen hat. Ist dieser aufwärts gerichtet, kann sich die Kurserholung noch deutlich fortsetzen, geht es hingegen abwärts, muss man mit einem neuen Korrekturtief rechnen. Man kann dann also in Ausbruchsrichtung prozyklisch long bzw. short einsteigen.
Kalkulieren Sie aber Fehlsignale ein, die es im Rahmen der aktuellen Seitwärtskonsolidierung mehrfach gegeben hat und über die wir unsere Leser im Target-Trend-Spezial auch täglich vorbörslich informiert haben.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
www.stockstreet.de
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