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Warum kann Gold nicht stärker profitieren?
Ausgabe vom 01.04.2020
Warum kann Gold nicht stärker profitieren?
von Sven Weisenhaus
Der Wettlauf um die pessimistischsten Prognosen geht weiter. Kaum hat sich JP Morgan den bisherigen Einschätzungen unter anderem von Goldman Sachs angeschlossen (siehe gestrige Börse-Intern), schon scheinen letztere um ihren exklusiven Titel als größter Schwarzmaler zu fürchten.
Jedenfalls haben die Goldman-Analysten ihre Erwartungen an die Wirtschaftsleistung der USA flugs nochmals nach unten geschraubt. Nun rechnen sie für das 1. Quartal 2020 mit einem BIP-Rückgang um 9 % und für das 2. Quartal mit einem Einbruch um 34 %. Bisher hatten sie das jeweilige Minus auf 6 % bzw. 24 % beziffert.
Dabei ist es gar nicht so wichtig, wer nun richtig oder falsch liegt. Wichtig für die Märkte ist nur, dass die Erwartungen insgesamt immer pessimistischer werden. Denn diese Entwicklung muss in die Kurse eingepreist werden. Und damit steigt die Gefahr für eine zweite Abwärtswelle weiter an.
Gold zeigt sich überraschend schwach
Vor diesem Hintergrund war es gestern erstaunlich zu beobachten, dass der Goldpreis seine jüngste Kurserholung abgebrochen hat (siehe rote Ellipse im folgenden Chart).
Und es stellt sich damit die Frage, warum das Edelmetall eigentlich von der ganzen Krise und der Geldschwemme der Notenbank nicht längst viel stärker profitieren konnte. Schließlich gilt Gold doch als DAS Kriseninvestment schlechthin. Und zudem sagt man Gold einen Schutz vor Inflation nach. Müsste die Inflation angesichts der Billionen, die derzeit in die Märkte gepumpt werden, nicht deutlich anziehen?!
Sicherlich, noch könnte der jüngste Rücksetzer nur eine Gegenbewegung auf die vorangegangenen Kursgewinne gewesen sein. Aber das Trendhoch wurde bereits am 9. März bei 1.703,1 USD markiert. Und obwohl die Krise erst seitdem erst so richtig Fahrt aufgenommen hat, konnte der Goldpreis dieses Niveau bislang nicht erneut erreichen, geschweige denn hinter sich lassen.
Was hat den Einbruch im März ausgelöst?
Über den Grund, warum der Goldpreis im März eigentlich so stark eingebrochen ist, wurde schon viel berichtet. Es war wohl dem plötzlichen Bedarf an Liquidität geschuldet. Und dieser entstand aus diversen Gründen.
Beispielsweise werden insbesondere in den USA Wertpapiere vielfach auf Kredit gekauft. Durch den rasanten Kursverfall am Aktienmarkt mussten diese Spekulationen beendet werden. Dabei kann es sein, dass bei einigen Anlegern der Erlös aus dem Verkauf ihrer Aktien nicht mehr ausgereicht hat, um den Kredit vollständig zu tilgen. Und dann musste eben auch das Tafelsilber verscherbelt werden, in dem Fall war dies offenbar Gold. Bei Kleinanlegern macht sich dieser Effekt natürlich kaum bemerkbar, aber wenn es in einem Crash sehr viele Anleger betrifft, und auch (spekulative Hedge-)Fonds, dann kann das den Goldpreis schon deutlich belasten.
Es war ein dysfunktionaler Markt entstanden
Letztlich sind die Kurse dadurch nicht nur eingebrochen, weil man verkaufen wollte, sondern weil man verkaufen musste. Und dadurch sind Staatsanleihen und Gold genauso gefallen wie Qualitätsaktien, die man vielleicht eigentlich hätte behalten wollen. Zweistellige Kursverluste bei eigentlich soliden Unternehmen waren keine Seltenheit, selbst bei solchen, die ein krisenresistentes Geschäftsmodell haben. Und Gold, das eigentlich als sicherer Hafen gilt, musste ebenso schwer Federn lassen. Das waren Folgen eines dysfunktionalen Marktes, den die Notenbanken mit ihren diversen Maßnahmen versucht haben zu „heilen“.
Mehrere Effekte lasten auf dem Goldpreis
Nun gut, dank der Notenbanken ist der Markt inzwischen wieder weitestgehend liquide. Trotzdem kann der Goldpreis in seiner Funktion als sicherer Hafen und Inflationsschutz noch nicht glänzen. Woran liegt das? Die Antwort ist eigentlich recht einfach. Es sind mehrere Gründe, die zusammenkommen.
Notenbanken fallen als großer Nachfrager aus
Erstens kaufen zwar einerseits insbesondere Kleinanleger derzeit den Markt an Barren und Münzen leer, wie man von einigen Goldhändlern jüngst vernehmen konnte, andererseits fallen aber die Notenbanken als Goldkäufer aktuell aus, weil sie ihre Liquidität benötigen, um sie in die Wirtschaft zu pumpen. So soll die russische Notenbank bereits erklärt haben, ab dem 1. April ihre Goldkäufe einzustellen. Und das könnte den gestrigen Kursrutsch bei Gold ausgelöst haben. Unter dem Strich wird also aktuell keine größere Nachfrage erzeugt.
Inflation ist auf absehbare Zeit kein Thema
Zweitens ist trotz der massiven Notenbankliquidität auf absehbare Zeit keine Inflation zu erwarten. Das Gegenteil ist eher der Fall. Denn der weltweite Konsum floriert momentan nur in den lebensnotwendigen Bereichen, während er ansonsten fast vollständig zum Erliegen gekommen ist. Preiserhöhungen sind in einem solchen Markt natürlich nicht durchzusetzen.
Und nicht ohne Grund spricht die Europäische Zentralbank (EZB) aktuell von einer inzwischen vorhandenen Deflationsgefahr, auch wenn diese noch sehr gering ist. Schließlich ist die jährliche Inflationsrate in der Eurozone jüngst auf nur noch 0,7 % gesunken, wie eine gestern veröffentlichte Vorabschätzung zeigt.
Der gesamte Anstieg, der seit dem Tief von September 2019 zu beobachten war, ist damit fast auf einen Schlag hinfällig. Angesichts des stark gefallenen Ölpreises wird sich dies auch nicht so schnell wieder ändern. Aber auch langfristig liegen die Inflationserwartungen derzeit auf Rekordtief. Der Markt erwartet, dass die EZB selbst auf Sicht von 5 Jahren ihr Ziel einer Inflation von 2 % nicht erreichen wird.
Wann könnte der Goldpreis stärker zulegen?
Für den Goldpreis gibt es damit im Moment scheinbar kaum größeres Kurspotential. Ich gehe aber davon aus, dass er von einer anhaltenden Korrektur am Aktienmarkt noch profitieren kann und daher gut unterstützt bleibt.
Allerdings ist nach bislang vorhandenen Kenntnissen davon auszugehen, dass die Virusepidemie nur für einige Wochen oder wenige Monate herrschen wird. Werden die Einschränkungen bald zumindest teilweise aufgehoben, dürfte damit auch die Korrektur am Aktienmarkt zu Ende gehen. Dann fällt ein weiteres Argument für einen starken Goldpreis weg.
Wenn aber der Konsum in der Breite wieder zunimmt und es sogar zu Aufholeffekten kommt, die Nachfrage also deutlich anzieht und sogar eine Zeitlang überdurchschnittlich ausfällt, könnte es zu Preiserhöhungen kommen, wie man sie aktuell auch bei Waren sieht, die aufgrund der Coronavirus-Krise stark nachgefragt werden. Und wenn zugleich die Masse an Notenbankliquidität im Markt ist, obwohl sie von vielen Firmen nach einer Überbrückung nicht mehr benötigt wird, könnte auch dies die Inflation befeuern. Dann ist es an den Notenbanken, die Liquidität wieder abzuschöpfen. Gelingt dies nicht, dürfte der Goldpreis ansteigen. Aber das ist Zukunftsmusik.
Tendenz von höheren Tiefs noch intakt
Aktuell würde ich dem Goldpreis keine goldene Zukunft vorhersagen. Doch charttechnisch hat er noch Chancen. Denn die Tendenz von höheren Tiefs ist noch intakt (siehe kurze Balken im folgenden Chart).
Derzeit findet ein Kampf um die Rückeroberung der ehemaligen Unterstützung bei rund 1.530 USD statt (obere horizontale Linie). Heute notiert der Goldpreis zwischen ca. 1.570 und 1.600 USD. Wird das jüngste Zwischentief vom 16. März bei 1.451 USD unterschritten, wäre die Folge höherer Tiefs beendet und die Goldbullen hätten ein ernstes Problem. Kann sich der Goldpreis aber oberhalb von 1.530 USD festsetzen und im kurzfristigen Bereich einen neuen Aufwärtstrend etablieren, hätten die Bullen noch eine letzte Chance auf ein paar Gewinne. Bei 1.900 USD würde ich diese aber mitnehmen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
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