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Endet gerade ein Bärenmarkt, den es nie gab?
Ausgabe vom 01.02.2019
Endet gerade ein Bärenmarkt, den es nie gab?
von Sven Weisenhaus
Viele Marktteilnehmer sahen in den jüngsten Korrekturen der US-Indizes bereits einen Bärenmarkt, weil die Kurse vom Allzeithoch aus um mehr als 20 % gefallen waren – zumindest im S&P 500 und Nasdaq 100. Doch wie Sie aus vorangegangenen Ausgaben der Börse-Intern längst wissen, hatte ich an dieser Sichtweise stets Zweifel und erwartete stattdessen eine große Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau. Dabei sah ich in den neuen Allzeithochs ein Überschießen auf der Oberseite und mit der Korrektur lediglich ein Überschießen auf der Unterseite.
Endet gerade ein Bärenmarkt, den es nicht gab?
Inzwischen hat der Dow Jones schon mehr als 61,80 % seiner gesamten Abwärtsbewegung aufgeholt (siehe grüner Kreis im Chart).
Seine Korrektur gilt damit als beendet. Und damit könnte ein Bärenmarkt zu Ende gehen, den es aus meiner Sicht nie gab. Im Dow Jones sowieso nicht, weil hier die Kurse lediglich um 19,44 % korrigiert hatten.
Aber wenn auch der S&P 500, der um 20,18 % korrigiert hat, über das Maximalziel seiner Kurserholung steigt, wozu ihm gestern nur noch weniger als 4 Zähler fehlten (siehe Chart unten, roter Pfeil), dann ist hier die Korrektur ebenfalls beendet – und damit auch der Bärenmarkt. Die Seitwärtsbewegung bleibt dann das vorrangige Szenario.
Ein klein wenig hinterher hinkt der Nasdaq 100. Der Technologieindex hatte um 23,45 % korrigiert. Und hier fehlen bislang noch 74,535 Punkte bzw. rund 1 % bis zur entscheidenden Linie. Dabei liegt den Bullen nun auch noch eine Abwärtstrendkanallinie im Weg.
Angesichts dieser starken Kurserholungen darf die Frage erlaubt sein, ob man bei den vorangegangenen Korrekturen, auch wenn sie recht dramatisch abliefen, direkt von einem Bärenmarkt sprechen muss. Ist es wirklich sinnvoll, dass eine willkürlich gesetzte Marke von 20 % zwischen Korrektur und Bärenmarkt unterscheidet?!
Gesunder Menschenverstand statt starren Regeln und Definitionen
Oder sollte man nicht vielmehr den gesunden Menschenverstand einsetzen und diverse Faktoren einbeziehen, um über einen Bärenmarkt zu entscheiden?! Natürlich wird es in diesem Fall verschiedene Meinungen geben. Aber diese gibt es an der Börse und insbesondere bei der Analyse von Kursbewegungen immer. Denn Charttechnik ist keine eindeutige Wissenschaft. Viele Regeln werden unterschiedlich ausgelegt.
Und diverse Indikatoren beruhen auf mathematischen Methoden, die aus Daten der Vergangenheit verwenden, um daraus Kauf- oder Verkaufssignale abzuleiten. Nehmen wir zum Beispiel den Relative-Stärke-Index (kurz: RSI). Ein RSI von über 70 deutet auf eine „überkaufte“ Marktsituation hin, Werte unter 30 gelten als „überverkauft“. Warum nicht 72 oder 75 bzw. 28 oder 32? Gute Analysten passen diese Werte je nach Börsenumfeld an. Und letztlich sollte man in ein Regelwerk auch immer persönliche Erfahrungen mit einfließen lassen und es entsprechend anpassen.
Wahrscheinlichkeiten in der Charttechnik
Zumal selbst beim korrekten Einsatz althergebrachter Regeln immer noch eine Restwahrscheinlichkeit besteht, dass es doch anders kommt - siehe auch die inverse Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS) im DAX. Dabei hatte ich hierzu schon von Beginn an bemängelt, dass die rechte Schulter nicht ganz idealtypisch ausgebildet wurde. Aber so perfekt eine optimale SKS-Formation auch ausgebildet sein mag, es bleibt immer noch eine Restwahrscheinlichkeit von ca. 10%, dass das daraus abgeleitete Kursziel nicht erreicht wird.
Klare Regeln und die Flexibilität, sie richtig anzuwenden
Lange Rede, kurzer Sinn: Man sollte die etablierten Regeln der Charttechnik zwar möglichst exakt anwenden, doch man sollte die eigenen Erfahrungen und Beobachtungen in die Regelwerke mit einfließen lassen. Die Börse bleibt in ihrer Struktur immer auch etwas chaotisch. Und daher ist eine gewisse Flexibilität unerlässlich.
Im Nachhinein wird man immer einen Grund finden, warum sich die Kurse doch nicht idealtypisch verhalten haben. Aber nachher ist man immer schlauer. Um erfolgreich an der Börse zu sein, muss man sich jederzeit auf neue Situationen einstellen können und sein Trading bzw. seine Positionen gegebenenfalls sofort anpassen, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll.
Das mag für den Einen oder Anderen zu wenig konkret klingen. Aber erfahrene Anleger und Trader werden beim Lesen dieser Zeilen zustimmend nicken. Und für die weniger Erfahrenen bieten wir ja nicht ohne Grund verschiedene Börsenbriefe an, in denen wir immer wieder erläutern, warum wir wie handeln. Daraus kann man lernen. Und wer will, wird damit irgendwann in der Lage sein, völlig selbständig zu traden bzw. zu investieren. Aber dazu braucht es Zeit, um die nötige Erfahrung zu sammeln.
Was nun konkret zu tun ist
Und um nun wieder sehr konkret zu werden: Achten Sie bei den US-Indizes jetzt sehr genau darauf, wie sich die Kurse am jeweiligen 61,80%-Fibonacci-Retracement verhalten: Wandert der Dow Jones, der diese Marke ja bereits überwunden hat, einfach weiter aufwärts, kann man durchaus wieder ein baldiges Erreichen der bisherigen Hochs einkalkulieren. Beim S&P 500 sollte man ein Abprallen an der 61,80er Marke einkalkulieren. Ein kleiner Short-Trade wäre daher aktuell möglich. Nach einem kleinen Rücksetzer kann man den Stopp dann schnell auf Einstandskurs legen. Läuft der Index die Marke dann ein zweites Mal an, ist auch hier ein Überwinden wahrscheinlich. Gleiches gilt für den Nasdaq 100.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
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