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Wie die Rally weitergehen kann

Ausgabe vom 04.06.2018

Wie die Rally weitergehen kann

von Torsten Ewert

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

am Freitag sprang der NASDAQ 100 mit einer deutlichen Kurslücke über die 7.000 Marke. Danach stieg der Kurs immer weiter, so dass der Handelstag mit einer klar bullishen Kerze endete. Mit dem (erneuten) Bruch der 7.000-Punkte-Marke könnte die Rally nun weitergehen. Oder doch nicht?

Nachrichten und Kurse passen (wieder mal!) nicht zusammen

Denn eigentlich passt dieser Kursverlauf nicht zu den Meldungen der vergangenen Tage: In Italien ist nun doch die eurokritische Regierung an der Macht, im Handelsstreit zwischen den USA und anderen Ländern und Regionen (EU, China, NAFTA) sind jüngste Entspannungssignale wieder verpufft bzw. es drohen weitere Verschärfungen. Und der US-Arbeitsmarktbericht vom Freitag brachte einen höheren Stellenaufbau sowie einen stärkeren Zuwachs der Stundenlöhne als erwartet. Auch die Arbeitslosenquote ging weiter zurück: Mit 3,8 % (-0,1) liegt sie nun auf dem niedrigsten Stand seit Ende der 1960er (!) Jahre.

Das alles sind Faktoren, die in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten immer wieder als Gründe für Rückschläge am Aktienmarkt angeführt wurden. Aber diesmal bleiben die Anleger erstaunlich gelassen. Das verwundert vor allem mit Blick auf den US-Arbeitsmarkt. So kann man die aktuellen Zahlen als Steilvorlage für die Fed ansehen. Sie könnte nun unter Verweis darauf bei ihren geplanten Zinserhöhungen verstärkt aufs Tempo drücken und doch vier Zinsschritte in diesem Jahr vornehmen. Aber trotz der guten Arbeitsmarktzahlen vom Freitag rechnen die Anleger bisher mehrheitlich (noch) nicht damit.

Der NASDAQ 100 im Ausbruchmodus

Schauen wir daher zunächst auf den kurzfristigen Chart des NASDAQ 100, um die aktuelle Lage zu beurteilen:

 

Der NASDAQ 100 ist vor dem jüngsten Ausbruch schon viermal an der 7.000er Marke gescheitert (siehe rote Kreise/Ellipse). Im März scheiterte er jedoch erst, nachdem er mehrere Tage über der neuralgischen Linie notierte und mit dem Rückfall eine bearishe Insel-Umkehr als Fehlausbruch zustande kam.

Insofern ist auch der aktuelle Ausbruch noch kein klares Fortsetzungssignal für die Rally – zumal ja erst das Allzeithoch vom März bei 7.186 Punkten überwunden werden muss. Es gibt aber noch zwei weitere Hinweise, dass auch jetzt die Gefahr eines Fehlausbruchs recht hoch ist.

Zwei Gründe, warum der Ausbruch kein Kaufsignal ist

Erstens steht der Kurs nun genau an der Oberkante des übergeordneten Aufwärtstrends seit 2016. Dieser ist trotz der Ausbrüche nach oben im ersten Quartal immer noch relevant: Auch nach diesen Ausbrüchen setzte der Kurs immer wieder auf die obere Trendkante zurück bzw. bildete an ihr Umkehrmuster aus (siehe gelbe Kreise/Ellipse). Beim letzten Rückfall im März übersprang der Kurs zudem die Linie mit einer deutlichen Kurslücke (siehe Punkt 1).

Auch auf der Unterseite gab es solche Trendbestätigungen nach den Rückfällen – zunächst in Form einer Parallellinie (schwarz punktiert) zum Trend durch die Tiefs seit Februar (siehe grüne Ellipsen) und schließlich durch eine punktgenaue Bestätigung der Trendunterkante Anfang Mai (siehe grüner Kreis).

Der zweite wichtige Hinweis auf einen möglichen Fehlausbruch ist die Kerze vom Donnerstag (siehe blaue Pfeile). Sie ist ein sogenannter Doji – eine Kerze, bei der Eröffnungs- und Schlusskurs auf einem Niveau liegen, so dass die Kerze wie ein Kreuz aussieht. Zudem ist der „Docht“ dieser Kerze (der Strich nach oben) deutlich länger als die „Lunte“ (Strich nach unten), so dass ein sogenannter Gravestone (Grabstein) Doji entstand.

Dojis signalisieren eigentlich Unsicherheit oder ein Patt zwischen Bullen und Bären. Aber an wichtigen Marken und wenn sie von hohem Volumen begleitet werden, deuten sie eine Umverteilung an. Beides war am Donnerstag an der 7.000-Punkte-Marke der Fall (siehe Volumenimpuls unten im Chart).

Nur eine gewöhnliche Short Squeeze?

Der naheliegendste Grund für diese Umverteilung ist, dass die Long-Trader an der 7.000er Marke ausgestiegen und die Short-Trader eingestiegen sind. Letztere wurden allerdings durch die Aufwärtskurslücke vom Freitag kalt erwischt. Viele dürften daraufhin ihre (Short-)Positionen verkauft haben, aber durch die Zurückhaltung der Anleger an der runden NASDAQ-Marke war dies nur zu immer höheren Kursen möglich. Die Folge: Die Kurse stiegen immer weiter.

Fazit: Die scheinbar so bullishe Kerze könnte also nur eine klassische Short Squeeze gewesen sein!

Ist damit nun die Chance dahin, dass die Rally fortgesetzt wird? Natürlich nicht, denn wie ich schon in der Vorwoche beschrieb, zeigt uns die Börse immer beide Seiten einer Medaille. Und diesmal gibt es einen weiteren bullishen Hinweis ausgerechnet dort, wo man ihn nicht unbedingt erwartet hat.

Der scheinbar so schwache S&P 500 als weiteres Manko

Oder sehen Sie den folgenden Chart des S&P 500 als bullish an?

S&P500, Tageschart, seit Anfang 2017

Zumindest auf den ersten Blick wohl nicht und selbst nach einem zweiten Blick kaum: Die Ausbrüche über die roten Abwärtslinien führten bisher nicht dazu, dass die Kurse weiter nachhaltig steigen. Zwar wurden die Ausbrüche durch Rücksetzer auf die roten Linien jeweils bullish bestätigt, aber der S&P 500 kommt nicht über sein Mai-Hoch hinweg.

Im Gegensatz zum NASDAQ 100, der nun wieder kurz vor seinem Allzeithoch steht, hinkt der S&P 500 massiv hinterher. Und bis zum endgültigen Ausbruch nach oben hat er noch einige Widerstände zu überwinden. Ähnlich sieht es beim Dow Jones aus. Und so erfreulich die Stärke des NASDAQ 100 ist – die eklatante Schwäche der anderen beiden US-Indes erscheint bedenklich.

Ein ganz anderer Blick auf den S&P 500

Aber nur bis man einen Blick auf den langfristigen Chart des S&P 500 wirft. Denn ich habe die dicke grüne Aufwärtstrendlinie ganz bewusst in den obigen Chart mit eingezeichnet – und bisher nicht erwähnt. Denn diese Linie ist von überragender Bedeutung für den Kursverlauf. Das sehen Sie sofort im folgenden Langfristchart:

 

Diese dicke grüne Linie ist die Oberkante des seit 2009 (!) gültigen Aufwärtstrends. Und diese Linie bedeutet damit für den S&P 500 etwa das gleiche wie die 7.000er Marke für den NASDAQ 100: Sie ist jetzt die Scheidemarke zwischen Rally und Konsolidierung oder gar der Ausgangspunkt eines Bärenmarkts. Aber keine Angst, letzteres ist (noch) relativ unwahrscheinlich…

Warum der S&P 500 doch bullish ist

Der Grund dafür, dass derzeit die Chancen die Risiken überwiegen, ist das Kursverhalten an dieser Linie. Im Laufe der Rally scheiterte der S&P 500 2014/15 mehrfach an dieser Linie (siehe gelber Kreis). Danach dauerte es bis Ende 2017, bis er sie erneut erreichte. Dafür gelang ihm dann sehr schnell der Ausbruch darüber.

Dieser entpuppte sich jedoch als Fehlausbruch in einer klaren Übertreibung. Üblicherweise sollten die Bären nach einer solchen Schlappe der Bullen Oberwasser bekommen und den Kurs mindestens bis zur Unterkante des Trends zurücktreiben. Das gelang ihnen aber nicht einmal ansatzweise. Stattdessen schafften die Bullen sofort den nächsten Ausbruch. Dieser mutierte erneut zum Fehlausbruch, aber das folgende Tief blieb oberhalb des ersten und signalisierte eine mögliche Fortsetzung der Aufwärtstendenz. Und die Bullen schafften es danach tatsächlich, erneut die obere grüne Linie zu testen (siehe roter Pfeil).

Und die laufende kleine Konsolidierung, die vermeintlich so schwach ist, dass nicht einmal das Mai-Hoch überwunden werden konnte, ist im langfristigen Chart der nächste Angriff auf diese wichtige Trendlinie (siehe grüner Pfeil). Und nun lassen sich die Bullen nicht mehr so leicht zurückdrängen!

Jetzt haben es die Bullen in der Hand

Wenn sie demnächst – eventuell durch eine entsprechen bullishe Vorlage des NASDAQ 100 – den Ausbruch nach oben schaffen, dann leitet dieser charttechnisch eine Beschleunigung des Aufwärtstrends ein. Natürlich ist es dann sehr wahrscheinlich, dass dies die finale Phase des Bullenmarkts wird, aber diese geht üblicherweise mit einer kräftigen Übertreibung einher.

Und daher sind dann auch die Widerstände im S&P 500 bis zum Allzeithoch nicht so kritisch, wie es im kurzfristigen Chart den Anschein hat. Denn wenn der Bruch der oberen grünen Linie tatsächlich der Befreiungsschlag der Bullen ist, dann werden sie sich auf ihrem Weg nach oben kaum aufhalten lassen.

Ob es jedoch so kommt, oder ob der vermeintlich bullishe Vorgriff des NASDAQ 100 doch nur eine gewöhnliche Short Squeeze war, müssen natürlich die nächsten Tage zeigen. Aber der scheinbar so schwache S&P 500 ist womöglich ebenfalls schon im Ausbruchsmodus. Es besteht also immer noch eine reelle Chance, dass die Rally weitergeht.

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert

Trader-Sentiment für 23. KW 2018 (04.06. - 08.06.)

von Sven Weisenhaus

Eigentlich konnte man für die vergangene Handelswoche steigende Kurse erwarten - zumindest aus Sicht des Sentiments als Kontraindikator. Denn in der Umfrage zuvor waren die Bären mit einem Anteil von 52,26 % in der Überzahl. Doch offensichtlich zeigte der DAX nur am Montag kurzzeitig Stärke und gab dann kontinuierlich nach (siehe dunkles Rechteck im folgenden Chart).

Am Ende kam es beim Schlussstand von 12.724,27 Punkten zu einem Wochenverlust in Höhe von 213,74 Zählern bzw. 1,65 %. Daher kann man dieses Mal kaum von einem erneuten Erfolg des Sentiments als (Kontra-)Indikator sprechen.

Doch in der neuen Handelswoche gibt es dazu eine neue Chance. Denn nach den fortgesetzten Kursverlusten im DAX ist die Stimmung weiterhin eingetrübt - mit einem fast unveränderten Verhältnis zwischen Bullen und Bären. Nach einem Anteil von 52,26 % sind die pessimistischen Anleger nun mit 52,20 % in der Überzahl.

Es besteht also auch jetzt noch die Chance, dass der Rücksetzer im DAX nur eine Gegenbewegung auf die zuvor acht Gewinnwochen in Folge war.


Ihr
Sven Weisenhaus 
- Stockstreet-Team - 
www.trader-sentiment.de

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