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Die chinesischen (Schulden-)Probleme von morgen
Ausgabe vom 17.06.2016
Die chinesischen (Schulden-)Probleme von morgen
von Sven Weisenhaus
Am Mittwochabend (MEZ) hat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Börsen mitgeteilt, nichts an ihrer aktuellen Zinspolitik zu ändern. Im Laufe des Donnerstags folgten inzwischen die Bank of Japan (BoJ), die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Bank of England (BoE) diesem Vorbild und hielten auch ihrerseits die Füße still.
„Brexit“-Debatte lähmt die Finanzwelt
Im Vorfeld des EU-Referendums in Großbritannien am 23. Juni haben damit binnen 24 Stunden vier Notenbanken etwaige Änderungen der geldpolitischen Rahmenbedingungen zurückgehalten. Alle Notenbanken begründeten ihre abwartende Haltung mit dem möglichen „Brexit“, also dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Damit zeigt sich nicht nur an den Kursbewegungen der vergangenen Tage, dass die „Brexit“-Debatte inzwischen die gesamte Finanzwelt in eine abwartende bzw. defensive Haltung zwingt.
Die verschiedenen Reaktionen der Notenbanken
Dabei sind die Sorgen und Ziele der einzelnen Notenbanken natürlich durchaus unterschiedlich. So sehen die Schweizer Geldpolitiker der SNB die Gefahr, dass der aus ihrer Sicht bereits überbewertete Franken (siehe folgender Chart) im Falle eines Brexits noch weiter zulegt. Wie am Mittwoch bereits hier beschrieben, gilt der Schweizer Franken als typischer „sicherer Hafen“ und zieht daher in Krisenzeiten Kapital an.
Gleiches gilt für den japanischen Yen. Auch dieser ist als „sicherer Hafen“ seit einiger Zeit gefragt (folgender Chart). Dennoch hat die japanische Notenbank den Strafzins für einige Einlagen von Finanzinstituten bei minus 0,1 Prozent und das Programm zum Ankauf von Anleihen und Wertpapieren bei jährlich 80 Billionen Yen (umgerechnet rund 678 Milliarden Euro) auf der aktuellen Sitzung unverändert belassen - vielleicht um das Pulver bis nach dem „Brexit“-Referendum trocken zu halten.
(Die Y-Achse ist hier invertiert, um die Aufwertung des Yen zum Euro darzustellen.)
Dagegen fürchten die Vertreter der BoE für den Fall eines Austritts Großbritanniens aus der EU einen niedrigeren Wachstumspfad und eine höhere Inflation aufgrund der zu erwartenden Fortsetzung der Abwertung des britischen Pfundes:
Die Abstimmung zum „Brexit“ zeigt also längst schon Auswirkungen, die es unter Kontrolle zu behalten gilt. Bleibt Großbritannien in der EU, dürften sich einige eingeschlagene Trends umkehren bzw. Kursbewegungen rückgängig gemacht werden. Entscheiden die Bürger des Landes hingegen den Austritt, könnten sich die Bewegungen in die Trendrichtung noch einmal verstärken, bevor es zu einer Kursberuhigung kommt. Die Notenbanken haben sich darauf eingestellt und entsprechende Maßnahmen vorbereitet. Auch Sie sollten rechtzeitig vorbereitet sein.
Was kommt nach dem Brexit-Referendum?
Doch wir kennen die Börsen, sie spielen ein Thema, solange gewisse Unsicherheiten vorherrschen. Nach der Abstimmung zum Brexit ist diese Unsicherheit erst einmal aus dem Markt. Die Marktteilnehmer können sich dann auf die möglichen weiteren Folgen besser einstellen. Fragen wir uns also, was nach dem Brexit-Referendum die Gemüter der Anleger beeinflussen könnte.
Die Verschuldung Chinas
Das Thema Griechenland wird es kurzfristig nicht sein. Das hochverschuldete Griechenland soll Anfang nächster Woche 7,5 Milliarden Euro frische Hilfsgelder bekommt und ist damit über den Sommer hinweg finanziert ist. Doch an dem Problem der zu hohen Verschuldung hat sich damit nichts geändert. Und genau um das Thema Verschuldung könnte es nach dem Brexit-Referendum gehen. Zumal hier immer mehr ein neuer Kandidat ins Spiel kommt.
Solange die Wachstumsraten gering sind (siehe auch Börse-Intern vom vergangenen Freitag), versucht die Politik mithilfe von Schulden die Wirtschaft anzukurbeln. Das Problem kennen wir von den westlichen Industrieländern, doch sehen wir diesen Effekt nun auch zunehmend in China. Dort wächst die Verschuldung zurzeit mehr als doppelt so schnell wie die Wirtschaft. Jedem sollte klar sein, dass dies auf Dauer nicht gesund ist und in Zukunft zu enormen Problemen führen kann.
Schulden chinesischer Unternehmen - Gefahr für die Weltwirtschaft
Nicht nur der mögliche Brexit, sondern auch die drohende Überschuldung vieler Unternehmen in China bereitet der US-Notenbank Kopfschmerzen. Und laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) stellen die rasant steigenden Schulden sogar eine ernstzunehmende Gefahr für das Land und die Weltwirtschaft dar. Sie könnten die „systemischen Schuldenprobleme von morgen“ werden, so der IWF.
IWF-Vizechef David Lipton sagte in einer Rede vor Ökonomen in der Metropole Shenzhen, die Gesamtverschuldung (also die Staats-, Privat- und Unternehmensschulden) in China liege zwar mit 225 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im weltweiten Vergleich nicht außergewöhnlich hoch, doch seien die Unternehmen alleine bereits mit 145 Prozent des BIP verschuldet, und das sei ein hoher Wert.
Ambitionierte Ziele sollen mit Schulden erreicht werden
Die chinesische Regierung zahlt somit derzeit einen hohen Preis dafür, dass es nach vielen Jahren des Booms nicht zu einer so genannten harten Landung der chinesischen Wirtschaft kommt. Dabei hat sich die Regierung ambitionierte Ziele gesetzt: Von 2010 bis 2020 soll eine Verdopplung des Pro-Kopf-Einkommens und des BIP erreicht werden. Auch deshalb soll die BIP-Wachstumsrate zwischen 2016 und 2020 bei mindestens 6,5 Prozent liegen.
Wann die Rechnung aufgeht
Es stellt sich aber die Frage, ob es sich lohnt, die Wirtschaft mit einer enormen Ausweitung der Schulden zu diesen Zielen zu führen. Die Rechnung geht nämlich nur dann auf, wenn Innovationen zukünftig dazu führen, dass die Wirtschaft auch ohne Stimuli seitens der Politik dynamisch wächst. Dann können die Staatsausgaben gesenkt, Haushaltsüberschüsse erzielt und die Schulden zurückgezahlt werden. So die Theorie.
Doch die Schulden können auch höchst unangenehme Folgen haben, wenn das nicht gelingt, wie man zum Beispiel in Griechenland gesehen hat und natürlich auch in vielen anderen westlichen Industrieländern miterleben darf.
Fazit
Es geht nicht darum, Panik zu verbreiten, dafür ist es zu früh. Aber wir beschäftigen uns in der „Börse-Intern“ immer wieder frühzeitig mit den möglichen Themen von morgen. Diese Risiken muss man im Hinterkopf behalten und kontinuierlich beobachten, um frühzeitig, also vor den anderen Marktteilnehmern, reagieren zu können.
Und das Thema chinesische Verschuldung könnte eines der brisanteren Themen der kommenden Jahre werden. Wie stark mittlerweile Probleme in China eben auch Einfluss auf die Aktienmärkte in den USA und Europa haben können, haben wir im letzten Jahr gesehen. Ob die Aktienmärkte aber trotzdem weiter steigen können, dazu kommende Woche mehr.
Viele Grüße
Ihr
Sven Weisenhaus
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