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S&P 500: Die Chart-Geschichte geht weiter

Ausgabe vom 06.06.2016

S&P 500: Die Chart-Geschichte geht weiter

von Torsten Ewert

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

vor zwei Wochen hatte ich Ihnen an dieser Stelle mein Szenario für den weiteren Verlauf im S&P 500 vorgestellt. Es ist also Zeit für ein Update.

Kurze Zusammenfassung des bisherigen Geschehens

Schauen wir uns dazu den aktuellen Chart des S&P 500 an:

S&P 500 Tageschart seit Juli 2015

Zunächst ein kurzes Resümee meiner Einschätzung von vor zwei Wochen. Ich hatte erwartet, dass es nach dem damaligen Zwischentief (Pfeil 1) eine tendenziell bullishe Fortsetzung gibt. Das bearishe Szenario einer SKS-ähnlichen Formation war für mich weniger wahrscheinlich, weil der S&P 500 in der blauen Unterstützungszone wieder nach oben drehte und sich danach weiter erholte. Die vermeintliche SKS-Formation wurde damit nicht vollendet, sondern mutierte zum Fehlsignal – wie ja auch schon Sven Weisenhaus in seiner Analyse vermutet hatte.

Wie so häufig nach Fehlsignalen ging es dann in die entgegengesetzte Richtung weiter (in diesem Fall also nach oben). Das geschah sogar dynamischer, als ich vermutet hatte, denn es kam zu einem klar bullischen Ausbruch aus der roten Korrekturformation (siehe grüne Ellipse).

Die Bullen zeigten sich stärker als erwartet

Damit zeigten sich die Bullen sehr kraftvoll und haben einen wichtigen Punkt meiner damaligen Einschätzung revidiert: Diesen dynamischen Ausbruch konnte man durchaus als Kaufsignal werten. Das Kursziel wäre zunächst das Hoch vom April gewesen (Oberkante des gelben Rechtecks). Das wäre zwar ein recht kurzfristiger Trade mit entsprechend begrenztem Potenzial, aber mit einem vernünftigen Chance-Risiko-Verhältnis.

Trotz der Korrektur meiner Einschätzung in diesem Punkt blieb das bullishe Szenario natürlich intakt. Es wurde durch dieses bullishe Signal sogar noch gestärkt. Und wie ging die Geschichte danach weiter?

Bereits am nächsten Tag legten die Bullen nach. Mit einer weiteren positiven Kerze überwanden sie die blaue Abwärtslinie. Das war insofern bedeutsam, weil die Kurse im April an dieser Linie zweimal gescheitert waren (siehe rote Pfeile). Die klare Nachricht der Bullen, die der Chart mir übermittelte, war also: Wir wollen es jetzt noch einmal wissen!

In den darauffolgenden Tagen ging es zwar mit den Kursen weiter aufwärts, aber die anfängliche Dynamik verflüchtigte sich fast völlig. In dieser Situation fragte ich mich: Haben die Bullen etwa den Mund zu voll genommen?

Börse und Sport – ein Vergleich

Auch in der vergangenen Woche konnten die Bullen kaum noch Boden gutmachen. Sie zeigten also kaum noch Stärke. Genau genommen hatten sie so wenig Puste, dass sie zu mir über den Chart gar nicht mehr sprechen konnten.

Dafür sandten mir die Bären wichtige Nachrichten. Sie sagten: Wir sind so schwach, wir kommen nicht einmal gegen die inzwischen ermatteten Bullen an. Sie fragen sich nun vielleicht, wodurch sie dies kundtaten. Das verrieten mir die langen „Schatten“ der Kerzen, die nach unten zeigten. Dadurch entstanden vier Kerzen, deren Tiefs vor oder auf der blauen Linie lagen und die eine Art „Hammer“ bildeten.

Wenn Sie wenig Erfahrung mit Charttechnik haben, werden Sie diese Interpretation vielleicht für etwas weit hergeholt halten. Deshalb eine Analogie aus dem Sport: Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Wettkampf (denken Sie sich nun eine beliebige Sportart aus, die Ihnen liegt). Sie hatten – wie die Bullen im S&P 500 – kürzlich eine starke Phase und haben Ihren Gegner etwas in die Ecke gedrängt (einen Vorsprung erkämpft, wichtige Punkte oder entscheidenden Raum erobert usw.). Nun geht Ihnen aber nach dieser Anstrengung etwas die Puste aus. Das merken Sie natürlich und erwarten, dass Ihr Gegner diesen unverhofften Vorteil nutzt, um seinerseits zurückzuschlagen. Er könnte dabei nicht nur alles zurückholen, was Sie erobert haben, sondern Sie vielleicht sogar ins Hintertreffen geraten lassen.

Nicht einmal einen Ausrutscher der Bullen konnten die Bären nutzen

Und nun stellen Sie sich einfach Ihre Überraschung vor, wenn ihm genau das nicht gelingt – weil er durch seine „Rückzugsgefechte“ noch schwächer ist als Sie. Sie können seine halbherzigen Angriffe relativ leicht abwehren und dabei sogar Ihre zuvor mit Ach und Krach eroberte „blaue Linie“ verteidigen (jetzt sind wir wieder im obigen Chart).

Der ultimative Beweis für diese Schwäche der Bären ist der Kursverlauf vom Freitag. Nach dem Schock über die jüngsten Zahlen des US-Arbeitsmarktberichts (siehe Börse-Intern vom Freitag) gingen die Kurse auch im S&P 500 zunächst in den Keller. Die Bären hatten also plötzlich Oberwasser – und zwar durch ein externes Ereignis. Das ist etwa so, also ob Sie beim Wettkampf plötzlich ausrutschen. Wenn es dann Ihrem Gegner trotzdem nicht gelingt, daraus einen Vorteil zu ziehen, dann gibt es an einer eindeutigen Kräfteverteilung zu Ihren Gunsten überhaupt keinen Zweifel mehr.

Und genauso ist es derzeit auch im S&P 500: Die Bären konnten am Freitag nicht einmal den „Ausrutscher“ durch die Arbeitsmarktzahlen nutzen. Auch die Kerze vom Freitag endete im Tief auf der blauen Linie und bildete zum Handelsschluss einen idealen Hammer, also eine ganz klare Umkehrkerze.

Warum jetzt das Allzeithoch in den Fokus gerät

Damit bleibt das Szenario im S&P 500 für mich nicht nur bullish, sondern wird sogar noch vielversprechender. Das wird auch durch ein weiteres Detail gestützt. Wie Sie sehen, haben die Kurse bisher noch nicht das Hoch vom April (Oberkante des gelben Rechtecks) erreicht. Das ist eigentlich ein kleines Schwächezeichen der Bullen. Aber durch die nun offensichtlich gewordene Schwäche der Bären wird das zu einem Pluspunkt für die Bullen. Dadurch ist in den vergangenen Tagen eine kleine Konsolidierung unterhalb des April-Hochs entstanden. Erfahrungsgemäß ist eine solche Konsolidierung unterhalb eines wichtigen Widerstands häufig ein Zeichen dafür, dass dieser Widerstand bald gebrochen wird.

Warum das so ist, wird erneut durch unsere Sport-Analogie schnell klar: Sie sind also ausgerutscht, aber Ihr Gegner konnte diese Schwäche nicht nutzen. Jetzt stehen Sie wieder und wissen ganz sicher, dass er schwach ist. Und er weiß auch ganz genau, dass Sie das wissen. Egal wie schwach Sie wirklich sind und egal wie stark Ihr Gegner wirklich ist – allein diese psychologische Konstellation gibt Ihnen einen derart überwältigenden Vorteil, dass Ihr Gegner nun kaum noch eine Chance hat!

In der Regel geschieht dann Folgendes: Er wird sich auf eine Verteidigungslinie zurückziehen, die ihm die relativ besten Chancen verspricht. Häufig ist das aber die letzte Verteidigungsmöglichkeit, die ihm zur Verfügung steht. Aber weil er demoralisiert ist, wird seine Gegenwehr weiterhin halbherzig bleiben. Also gelingt Ihnen in solchen Situationen fast immer der entscheidende Schlag.

Es bleibt dabei: Ein heißer Juni steht uns bevor

Das ist an der Börse nicht anders. Daher würde es mich nicht wundern, wenn wir in den kommenden Tagen im S&P 500 einen dynamischen Ausbruch nach oben sehen. Dabei sollte nicht nur das April-Hoch, sondern auch der knapp darüber liegende Widerstand bei 2.116,48 Punkten überwunden werden.

Spannend wird dann, was am Allzeithoch bei 2.134,72 Punkten geschieht. Hier könnten erstens die Bären mit der Kraft der Verzweiflung dagegenhalten und zweitens etliche Bullen einen Rückzieher machen. Das Szenario einer Seitwärtsbewegung unterhalb des Allzeithochs ist im S&P 500 für mich also noch nicht vom Tisch. Nach der jüngsten Kursentwicklung sollte aber deren Oberkante eher im Bereich des Allzeithochs (dicke rote Linie im obigen Chart) liegen, als innerhalb des gelben Rechtecks (wie noch vor zwei Wochen von mir erwartet).

Wie schon Sven Weisenhaus am Mittwoch in der Börse-Intern schrieb: Es könnte ein heißer Juni werden…

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert

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