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Darum war der Arbeitsmarktschock völlig überzogen
Ausgabe vom 07.06.2016
Darum war der "Arbeitsmarktschock" völlig überzogen
von Sven Weisenhaus
Am Freitag hieß es hier an dieser Stelle, dass man zunächst abwarten sollte, wie sich die Kurse nach der ersten Reaktion auf den US-Arbeitsmarktbericht und einer Beruhigung verhalten. „Häufig sieht man die Dinge anders, wenn man Zeit hatte, darüber nachzudenken“, hieß es dort im Schlusssatz.
Arbeitsmarktschock ist bereits vollständig verdaut
Mit dem gestrigen Kursverlauf hat es im DAX bereits eine klare Beruhigung gegeben. Die Kurse pendelten in engen Bahnen oberhalb der Mittellinie bei 10.105 Punkten seitwärts. Und heute scheinen die Märkte die Dinge tatsächlich schon völlig anders zu sehen. Denn nach den Kursverlusten von Freitag haben sich die Stimmung und damit die Kursrichtung um 180 Grad gedreht. Sowohl die US-Indizes als auch der DAX stehen aktuell deutlich über dem Hoch von Freitag (grüne Ellipse im DAX-Chart), womit der Arbeitsmarktschock schon mehr als verdaut ist.
Darum war die Kursreaktion vom Freitag völlig überzogen
Dass die Kursverluste am Freitag völlig überzogen waren, erkennt man, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich die Sachlage im großen Ganzen ansieht. Dieses Gesamtbild ist insbesondere der Fed inzwischen viel wichtiger. Und darin ist der monatliche US-Arbeitsmarktbericht nur ein Mosaikstein unter vielen.
In diesem Gesamtbild sieht die US-Konjunktur trotz des schwachen Jobaufbaus im Mai (nur 38.000 statt erwartete 160.000 neue Stellen) noch überwiegend positiv aus. Das zeigen auch die diversen US-Konjunkturdaten, die in den vorangegangenen Ausgaben von „Börse-Intern“ genannt und besprochen wurden. Sie wiesen insgesamt darauf hin, dass sich die US-Wirtschaft nach dem schwachen Auftaktquartal 2016 jüngst wieder dynamischer zeigte.
US-Konjunkturdaten mehrheitlich positiv
Dazu passen auch die aktuellen US-Einkaufsmanagerindizes für den Monat Mai. Sowohl der ISM-Index des verarbeitenden Gewerbes in den USA als auch der ISM-Dienstleistungsindex liegen mit 51,3 bzw. 52,9 Punkten komfortabel über der 50-Punkte-Schwelle, ab der weiteres Wachstum signalisiert wird.
Zudem weist der aktuelle Konjunkturbericht der Fed, das am vergangenen Mittwoch veröffentlichte „Beige Book“, darauf hin, dass der sich weiter erholte Arbeitsmarkt für eine Erhöhung der Löhne gesorgt hat. Ein moderater Anstieg der Löhne sei vor allem in den Regionen mit einem soliden Arbeitsmarkt zu beobachten, heißt es. Das bestätigt auch der Arbeitsmarktbericht vom Freitag. Darin wurde ein Lohnzuwachs von 2,5 Prozent zum Vorjahr bzw. 0,2 Prozent zum Vormonat ausgewiesen. Zudem haben dem „Beige Book“ zufolge in vielen Regionen die Konsumausgaben leicht zugelegt.
US-Arbeitsmarkt auf Vollbeschäftigungsniveau
Der jüngst schwächere Stellenaufbau ist ganz klar negativ. Doch er reiht sich lediglich in eine lange Zahlenreihe positiver US-Konjunkturdaten ein. Zudem gilt es einerseits zu beachten, dass Arbeitsmarktdaten ein nachlaufender Indikator sind. Und andererseits sind seit Ende 2010 in den USA bereits über 13 Millionen neue Jobs entstanden. Die Arbeitslosenquote sank dadurch auf inzwischen unter 5 Prozent, womit in den USA quasi Vollbeschäftigung herrscht.
60.000 bis 100.000 neue Stellen sind bereits ausreichend
Zwar sorgt das Bevölkerungswachstum der USA dafür, dass jeden Monat mehr Menschen auf den US-Arbeitsmarkt strömen, als ihn verlassen – jeden Monat müssen also neue Jobs geschaffen werden, um den aktuellen Beschäftigungsstand aufrechtzuerhalten. Diese Schwelle der neuen Arbeitsverhältnisse, die notwendig sind, um das monatlich neu in den Arbeitsmarkt eintretende Potential an Arbeitskräften aufzunehmen, liegt – je nach Schätzung – zwischen 60.000 und 100.000 Stellen pro Monat. Abgesehen von zwei Ausnahmen lag die Zahl der neuen Stellen seit Oktober 2010 über diesen Grenzen.
US-Arbeitsmarkt stößt an Kapazitätsgrenze
Im April zeigte die Zahl der neugeschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft bereits einen leichten Dynamikverlust an, der sich mit dem aktuellen Bericht für Mai fortsetzte. Doch das muss noch kein Ausdruck eines schwächelnden Jobwachstums oder gar einer sich eintrübenden US-Wirtschaft. Es kann stattdessen vielmehr ein Zeichen dafür sein, dass der US-Arbeitsmarkt an seine Kapazitätsgrenze stößt.
Lohn-Preis-Spirale könnte bald in Gang kommen
Geschieht das, folgt meist ein Anstieg der Löhne, den man, wie oben beschrieben, auch schon erkennen kann. Beides ist ein Hinweis darauf, dass eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt, die zu einem stärkeren Anstieg der Inflation führen würde. Diesem müsste die Fed engagiert mit rechtzeitigen Zinserhöhungen entgegenwirken.
Fazit
Angesichts der US-Arbeitslosenquote von nur noch 4,7 Prozent, die quasi auf Vollbeschäftigung hinweist, ist davon auszugehen, dass der Stellenaufbau in den USA auch in den kommenden Monaten nicht mehr so stark sein wird wie in den vergangenen Monaten und Jahren. Einen ersten Vorgeschmack darauf haben wir am Freitag erhalten.
Wenn es dabei aber gleichzeitig zu einem Anstieg der Löhne kommt, ist dies ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Arbeitsmarkt an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Und dies wiederum dürfte zu höheren Inflationsraten führen. Dann muss die Fed den Leitzins anheben, um einer gefährlichen Dynamik in der Lohn-Preis-Spirale vorzubeugen.
Das bedeutet erstens, dass die nächste Leitzinserhöhung trotz der Daten von Freitag immer wahrscheinlicher wird. Zweitens dürften die nächsten Zinsanhebungen in relativ regelmäßigen Abständen folgen, weil die US-Notenbank einen „graduellen Anstieg“ angekündigt hat. Drittens muss man diese nicht fürchten, denn sie sind ein Ausdruck einer stabil wachsenden US-Wirtschaft. Und in einem solchen Umfeld sollten die Aktienkurse tendenziell steigen.
Und damit bin ich wieder bei der Aussage, die Sie hier in den vergangenen Wochen immer wieder lesen konnten: Kurzfristig war der Ausblick für die Märkte bearish, weil ich die inzwischen gesehenen Korrekturen erwartet hatte. Langfristig war und ist der Ausblick eindeutig bullish für die Aktienmärkte. Es stellt sich nur die Frage, wann die Korrekturen endgültig enden. Den Zeitpunkt kann man nicht genau nennen. Wir werden die Märkte aber sehr genau für Sie im Auge behalten und entsprechend berichten.
Viele Grüße
Ihr
Sven Weisenhaus
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