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Märkte zwischen Konjunktur, Zinsen und politischen Krisen
Ausgabe vom 24.05.2016
Märkte zwischen Konjunktur, Zinsen und politischen Krisen
von Sven Weisenhaus
Die Märkte stecken weiterhin im Spannungsfeld zwischen Zinsdebatten, Unternehmens- und Konjunkturdaten sowie politischen Diskussionen über die Schulden Griechenlands und die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens. Dabei drehte die Stimmung in den vergangenen Handelstagen diverse Male binnen weniger Minuten.
Fed-Mitglieder sehen baldige Zinserhöhung
Als mit dem Fed-Protokoll vom April, das in der Vorwoche veröffentlicht wurde, neue Hinweise auf eine baldige Zinserhöhung in den USA aufkamen, zeigten sich die Aktienkurse belastet. Gestern wurden die Zinsspekulationen weiter genährt, als der Chef der regionalen Fed in San Francisco, John Williams, in einer Rede sagte, es seien zwei bis drei Zinsschritte in diesem Jahr möglich. Und der Präsident der Fed von St. Louis, James Bullard, betonte in einer weiteren Rede, das Angebot an Arbeitskräften sei in den USA bereits relativ knapp, was zukünftig die Inflation anheizen könnte.
Wie Sie auch aus den vorangegangenen Ausgaben wissen, sind der Arbeitsmarkt und die Inflation die wichtigsten Faktoren für die Fed bei der Festlegung der Zinsentwicklung. Zeigen sich die Notenbankern in beiden Bereichen zuversichtlich, werden sie die Zinsen anheben. Laut den aktuellen Aussagen ist dies der Fall.
Einkaufsmanager sehen zukünftiges Wachstum
Gestützt wurde die Zuversicht der Fed-Mitglieder durch den Markit-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe der USA. Mit einem Stand von 50,5 Punkten blieb dieser weiterhin über der Schwelle von 50 Punkten, ab der zukünftiges Wachstum signalisiert wird.
Auch für Europa zeigen die aktuellen Markit-Einkaufsmanagerindizes weiteres Wachstum an. So fiel der gemeinsame Index für den Dienstleistungssektor und die Industrie in der Euro-Zone zwar für Mai um 0,1 Punkte, aber auch hier blieb er mit 52,9 Zählern klar oberhalb der Wachstumsschwelle.
Das Wachstumsmomentum scheint angesichts der leichten Rückgänge in den Indizes auf beiden Kontinenten leicht nachzulassen, es liegen aber alle Werte oberhalb der Marke von 50 Indexpunkten, so dass nach wie vor eine Expansion der Konjunktur angezeigt wird.
In Europa ist an eine Zinsanhebung nicht zu denken
Einer Zinsanhebung durch die Fed steht immer weniger entgegen. Im Gegensatz zu den USA ist in Europa allerdings an Zinsanhebungen noch längst nicht zu denken. Denn gemäß dem Protokoll der letzten EZB-Sitzung vom 20./21. April stuften die Notenbanker die Risiken für das Wachstum in der Eurozone verglichen mit dem vorangegangenen Treffen zwar etwas geringer ein, Sorge bereitet der EZB aber, dass trotz der Ölpreiserholung kein Anstieg der Inflation zu beobachten ist.
Inflation wird noch eine Weile deutlich zu niedrig bleiben
Im Gegenteil: Nach 0,0 Prozent im März war die Inflationsrate trotzt aller Stützungskäufe der EZB im April wieder auf -0,2 Prozent zurückgegangen (siehe folgende Grafik). Insbesondere das günstige Öl drückte die Inflationsrate. Die Energiepreise waren im April um 8,7 Prozent niedriger als vor Jahresfrist.
(Quelle: Eurostat)
Daher äußerte sich die EZB besorgt, dass die Teuerungsrate angesichts der nach wie vor relativ günstigen Ölpreise wohl noch eine Weile niedrig bleiben werde. Entsprechend werden die bereits eingeleiteten Maßnahmen, wie die Senkung des Einlagesatzes und der Verlängerung des Anleihekaufprogramms, unverändert fortgesetzt. Zudem will man laut dem Protokoll zukünftig noch entschiedener dem Eindruck entgegenwirken, der EZB seien die Möglichkeiten zur weitergehenden Stimulierung der Inflation ausgegangen.
Zu den Inflations- kommen Schuldenprobleme
Neben der Inflationsproblematik kommt in Europa noch das Thema Schulden hinzu. In dieser Angelegenheit hat das griechische Parlament am Wochenende ein weiteres umstrittenes Gesetzespaket mit neuen Sparmaßnahmen gebilligt. Dieses ist Teil der Vereinbarung Griechenlands mit den internationalen Gläubigern. Am 8. Mai waren bereits Rentenkürzungen und Einkommenssteuererhöhungen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro gebilligt worden. Nun sollen zahlreiche Steuern und Abgaben eingeführt beziehungsweise erhöht werden, so dass sich die Lage des griechischen Staatshaushalts um insgesamt 5,4 Milliarden Euro verbessern soll.
Kommt es zur Auszahlung weiterer Hilfsgelder?
Diese Maßnahmen waren Voraussetzung dafür, dass die Finanzminister der Eurozone am heutigen Dienstag über die Reformfortschritte diskutieren und im Idealfall die Auszahlung weiterer Hilfsgelder für Griechenland beschließen.
Zur Erinnerung: Aus dem dritten Rettungspaket für Griechenland, das die Eurostaaten im vergangenen Sommer beschlossen hatten, stehen insgesamt bis zu 86 Milliarden Euro bereit. Bisher wurden davon 21,4 Milliarden Euro ausgezahlt. Seit vergangenem Herbst liegen die weiteren Auszahlungen jedoch auf Eis, weil die Geldgeber von den Griechen zunächst die nun beschlossenen Reformen und Sparbeschlüsse sehen wollten.
IWF drängt auf Schuldenerleichterungen
Dass es diese Beschlüsse nun gegeben hat, heißt noch längst nicht, dass heute die Auszahlung weiterer Hilfsgelder beschlossen wird. Denn zwischen den Gläubigern verschärft sich der Streit darüber, ob Griechenland seine Schulden, die mittlerweile auf mehr als 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angestiegen sind (siehe folgende Grafik), jemals zurückzahlen kann. Der IWF fordert daher weitere Schuldenerleichterungen, die aber insbesondere Deutschland derzeit noch verweigert.
Von der privaten in die öffentliche Hand
Der einzige wesentliche Fortschritt, der sich in Sachen griechische Schulden nach drei Rettungsprogrammen in den vergangenen sechs Jahren ergeben hat, scheint die Tatsache zu sein, dass der Großteil der Schulden mittlerweile nicht mehr bei privaten Investoren, sondern bei internationalen Organisationen, wie den Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM, der EZB und den Eurostaaten, liegt.
Wildes Gezerre am DAX setzte sich fort
In diesem Umfeld aus Unsicherheiten bezüglich des zukünftigen Wachstums (Einkaufsmanager), der Zinsentwicklung (EZB und Fed) und dem Ausgang politischer Krisen (Grexit, Brexit) ist es kaum verwunderlich, dass sich der DAX seit Tagen übergeordnet eigentlich nur in eine Richtung bewegt: seitwärts.
Dabei kam es innerhalb der Seitwärtstendenz (blaues Rechteck) zu wilden Auf- und Abwärtsbewegungen. Fast jeden Tag ging es dreistellig in die eine Richtung, nur um im direkten Gegenzug wieder im gleichen Ausmaß die andere Richtung einzuschlagen.
Gefangen zwischen 9.750 und 10.100 Punkten
Heute testete der DAX in einer anfänglichen Schwäche den wichtigen Kreuzungsbereich aus unterer Aufwärtstrendkanallinie, Rechteckgrenze bei 9.750 Punkten und Konsolidierungslinie (grüner Pfeil im unteren Chart), nur um dann dynamisch wieder das obere Ende der Seitwärtsrange anzulaufen.
Solange dieses wilde Auf und Ab anhält, bleibt es bei der bisherigen Einschätzung: Deutlich bearisher wird es, wenn die 9.750er Marke nachhaltig nach unten gebrochen wird. Dann muss man sogar wieder damit rechnen, dass der DAX das Tief an der Mittellinie bei 8.685 Punkten zumindest noch einmal ansteuert. Bullisher wird es dagegen wieder, wenn er nach oben aus dem dunkelblauen Rechteck über 10.460 Punkte ausbricht. Ein Anstieg über die Mittellinie bei 10.106 Punkten ist inzwischen ebenfalls schon als bullishes Signal zu werten.
Viele Grüße
Ihr
Sven Weisenhaus
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