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Der Devisenmarkt wirkt deutlich sensibler als der Aktienmarkt

Ausgabe vom 20.02.2024

Der Devisenmarkt wirkt deutlich sensibler als der Aktienmarkt

von Sven Weisenhaus

In dieser Woche gab es bislang nur zwei wichtige Informationen. Beide hinterließen an den Aktienmärkten aber nur geringe Spuren. Daher könnte man annehmen, dass Aktionäre derzeit weiterhin mit Scheuklappen durch die Welt laufen.

Chinesische Zentralbank hilft dem Immobilienmarkt

Zum einen hat die chinesische Zentralbank den Leitzins überraschend stark gesenkt, der die Preisgestaltung von Hypotheken beeinflusst. Der 5-jährige Referenzsatz – die sogenannte Loan Prime Rate (LPR) – wurde um einen viertel Prozentpunkt auf 3,95 % heruntergesetzt. Diese Maßnahme gilt als klare Stütze für den angeschlagenen Immobilienmarkt.

Generell wurde zwar mehrheitlich mit einer LPR-Senkung gerechnet, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Denn es handelt sich um die größte Senkung seit Einführung des Referenzzinssatzes im Jahr 2019. Experten hatten dagegen im Durchschnitt nur mit 0,15 Prozentpunkten gerechnet, nachdem die 5-jährige LPR zuletzt im Juni 2023 um 0,10 Prozentpunkte gesenkt worden war.

Aktienmarkt zeigt sich insgesamt unbeeindruckt

Während an den Aktienmärkten in China der Immobilien- und Bankensektor zulegten, konnte die Zinsentscheidung das allgemeine Anlegervertrauen nicht nennenswert stärken. Der Hang Seng zeigte sich zum Beispiel kaum bewegt.

Der chinesische Aktienindex Hang Seng hat seinen kurzfristigen Abwärtstrendkanal gebrochen und bildet ein aufsteigendes Dreieck aus, so dass mit weiter steigenden Kursen zu rechnen ist

Allerdings hatte sich der Aktienindex mit staatlicher Unterstützung (siehe „Chinas Politik unterbricht einen Crash am Aktienmarkt“) zuvor bereits erholt. Der kurzfristige und steile Abwärtstrendkanal (dunkelrot im Chart) wurde nach oben gebrochen und der Abwärtstrend somit immerhin etwas entschleunigt. Zudem bildet der Kursverlauf aktuell ein aufsteigendes Dreieck (blaue Linien), was eine weitergehende Kurserholung erwarten lässt.

Am 24. Januar hatte ich zum Eingriff der chinesischen Politik und Zentralbank geschrieben, dass „ein Bruch des steilen Abwärtstrendkanals [..] bereits ein Signal der Entspannung“ wäre. Und weiter: „Dann war dieser vielleicht nur der finale Sell-Off der großen Korrektur.“ Bestätigt wird dies nun, wenn ein bullisher Ausbruch aus dem aufsteigenden Dreieck gelingt. Dann könnten sich auch Long-Positionen anbieten, die angesichts des übergeordneten Abwärtstrends allerdings noch spekulativ sind.

Yuan: Der Devisenmarkt reagiert deutlicher auf die Zinsentscheidung

Am Devisenmarkt hatte die Entscheidung der chinesischen Zentralbank derweil heute größere Auswirkungen. Die chinesische Währung fiel nach der LPR-Ankündigung auf den tiefsten Stand seit dem 20. November, konnte ihre Verluste jedoch anschließend reduzieren, weil Chinas große Staatsbanken Dollars gegen Yuan verkauft haben, wie Medien berichten.

Lohnwachstum der Eurozone lässt nach

Ähnliche Entwicklungen ließen sich heute auch in Europa beobachten. Und damit komme ich zur zweiten relevanten Information:

Die größte Sorge der Europäischen Zentralbank (EZB) im Hinblick auf den Kampf gegen die immer noch zu hohe Inflation ist derzeit das Lohnwachstum, wie unter anderem EZB-Präsidentin Christine Lagarde in jüngsten Reden immer wieder betont hat (siehe auch „Die EZB verweigert der schwächelnden Wirtschaft Hilfe“). Daher dürfte die Notenbank heute mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen, dass sich das Lohnwachstum nicht mehr beschleunigt hat. Stattdessen ist das Wachstum der Tariflöhne in der Eurozone im 4. Quartal 2023 von 4,7 % auf 4,5 % zurückgegangen.

Bislang waren die Löhne recht stark gestiegen, um die erhöhte Inflation auszugleichen. Steigende Löhne können allerdings zu mehr Konsum und somit durch die höhere Nachfrage zu einem Anstieg der Preise führen. Doch angesichts der aktuellen Lohndaten zum 4. Quartal 2023 und des nachlassenden Inflationsdrucks kann man davon ausgehen, dass das Tariflohnwachstum auch im Verlaufe des Jahres 2024 nachlassen wird.

Noch nicht ausreichend für erste Zinssenkungen

Der Rückschritt von 0,2 Prozentpunkten Ende 2023 ist aber noch zu klein, um die Tür für eine Zinssenkung der EZB zu öffnen. Vielmehr dürfte es dabei bleiben, dass die Notenbank die Daten für das 1. Quartal 2024 abwartet. Diese werden im April bekannt sein. Und dann kann die EZB über einen ersten Zinsschritt im Juni entscheiden und informieren.

Die EZB dürfte auch deshalb vorsichtig vorgehen, weil das aktuelle nominale Lohnwachstum (+4,5 % im 3. Quartal 2023) abzüglich der bereits deutlich gesunkenen Inflation (+2,9 % im Dezember) auch zu einem realen Lohnwachstum führt. Die Menschen haben also abzüglich Inflation mehr in der Lohntüte. Und vor allem diese höhere Kaufkraft kann zu höherem Konsum führen, was das Erreichen des Inflationsziels von 2 % erschweren würde. Insofern muss die EZB über viele Monate hinweg beobachten, wie sich die Inflation und die Löhne weiterentwickeln und wie sich die Geldpolitik (bei zukünftig sinkenden) Leitzinsen auf die Wirtschaft auswirkt.

DAX konsolidiert lediglich entlang einer Konsolidierungslinie

Zinssenkungen werden also aus heutiger Sicht sehr wahrscheinlich nur sehr langsam erfolgen. Doch was eigentlich eine schlechte Nachricht für die Aktienmärkte ist, hatte wieder einmal kaum negative Folgen für die Kursentwicklung. Der DAX war zuvor bereits in seinen Aufwärtstrendkanal und unter ehemalige Rekordhochs zurückgefallen (siehe roter Pfeil im folgenden Chart), womit der jüngste Ausbruchsversuch wie befürchtet auch als (kleine) Bullenfalle endete (siehe „Zweifel an der Nachhaltigkeit des neuen DAX-Rekordhochs“). Und seitdem konsolidiert der deutsche Leitindex lediglich entlang einer Konsolidierungslinie (rot gestrichelt).

Der DAX ist in seinen kurzfristigen Aufwärtstrendkanal und unter ehemalige Rekordhochs zurückgefallen (roter Pfeil) und konsolidiert an einer Konsolidierungslinie (rot gestrichelt)

Bearishe Konsequenzen gab es also weder durch den neuerlichen Fehlausbruch noch aufgrund der erneuten Hinweise auf spätere bzw. langsame Zinssenkungen.

EUR/USD: Der Devisenmarkt reagiert deutlicher auf die Lohndaten

Der Devisenmarkt hat hingegen auf Letztere reagiert. Denn der EUR/USD konnte heute einen deutlichen Satz nach oben machen, weil der Euro durch anhaltend hohe EZB-Leitzinsen an Attraktivität gewinnt.

Der EUR/USD hat im Zentrum seiner Seitwärtsspanne (gelb) kurzfristige Abwärtstrendkanäle (rot) gebrochen (grüne Ellipse)

Der Wechselkurs macht sich dadurch auf, kurzfristige Abwärtstrendkanäle (rot) zu brechen (siehe grüne Ellipse). Zuvor konnte das 61,80%-Fibonacci-Retracement der vorherigen Aufwärtsbewegung auf Schlusskursbasis verteidigt werden (grüner Pfeil). Womöglich endete die Korrektur daher dort.

Da sich das kurzfristige Geschehen aber innerhalb der übergeordneten Seitwärtsspanne abspielt (gelbes Rechteck), die sich gegen die Aufwärtstrends (grün) durchgesetzt hat, wie in der vorangegangenen EUR/USD-Analyse vom 19. Januar beschrieben (siehe „EUR/USD: Welche Trading-Chancen bietet das wilde Auf und Ab?“), sind die kurzfristigen Signale mit Vorsicht zu genießen.

Nicht ohne Grund sah ich für neue EUR/USD-Trades keine gute Ausgangsbasis. Denn in der Mitte der Seitwärtsrange ist die Chance für steigende Kurse fast genauso hoch wie für fallende, hieß es im Januar bereits dazu. Und weiter: „Es könnte daher Sinn machen, sich aus diesem Basiswert einfach herauszuhalten, bis der Kurs entweder das obere oder das untere Ende der Seitwärtstendenz erreicht hat.“ Da sich der Kurs seitdem binnen eines Monats lediglich zwischen rund 1,09 und 1,07 USD bewegt hat, war das sicherlich kein schlechter Rat.

Wer es spekulativ mag, könnte mit einer Long-Position auf den Bruch der Abwärtstrendkanäle und einen Anstieg zum oberen Ende der Seitwärtsrange setzen.


Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr 
Sven Weisenhaus 
www.stockstreet.de

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