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S&P 500: Die Bullen knicken ein
Ausgabe vom 27.06.2016
S&P 500: Die Bullen knicken ein
von Torsten Ewert
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
inzwischen kennen Sie mein Szenario für den weiteren Verlauf im S&P 500 (siehe Börse-Intern vom 23.05 und 06.06.2016): eine Seitwärtsbewegung unterhalb des Allzeithochs. Nach dem Brexit stellt sich natürlich die Frage, ob dieses Szenario weiterhin aktuell ist.
Rückschlag nach dem Brexit
Dazu gleich der Blick auf den Chart:
Die Frage beantwortet sich auf den ersten Blick: Das gelbe Rechteck, das ich als mögliche Seitwärtsbewegung eingezeichnet hatte, wurde heute nach unten gebrochen. Das Szenario ist damit zunächst hinfällig. Der Brexit hat die Bullen aus der Bahn geworfen.
Hohe Unsicherheit bereits vor dem Brexit-Referendum
Zuvor kam es zwar zu dem von mir erwarteten Ausbruchversuch nach oben. Allerdings waren die Kerzen bei diesem Ausbruchversuch wenig überzeugend. Es schien so, als hätten die Bullen etwas Angst vor der eigenen Courage. Gut, mit der Fed-Sitzung und der Brexit-Entscheidung vor Augen war das verständlich. Jedenfalls scheiterte der Ausbruch am Hoch vom November (siehe blauer Pfeil).
Diese Unsicherheit hielt auch danach an – zu erkennen an den vielen langen „Schatten“ der Kerzen nach oben und unten. Das war auch kaum verwunderlich angesichts des ungewissen Ausgangs des Referendums in Großbritannien. Erst am vergangenen Donnerstag zeigten sich die Anleger wieder entschlossen. Mit einer langen weißen Kerze startete ein neuer Ausbruchversuch nach oben. Dieser wurde getrieben durch die optimistischen Umfragen und Wettquoten unmittelbar vor der Wahlentscheidung, die einen Verbleib Großbritanniens in der EU signalisierten (siehe Börse-Intern vom 23.06.2016).
Auch US-Anleger wurden auf dem falschen Fuß erwischt
Mit dem Brexit wurden also auch die US-Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. Der Kurs brach kräftig ein, stoppte aber am Freitag immerhin vor dem Tief vom Mai (siehe grüner Pfeil). Damit bestand für die Bullen noch eine kleine Chance auf eine Umkehr nach oben. Diese konnten sie aber nicht nutzen. Mit dem heutigen weiteren Rückfall haben daher zunächst die Bären Oberwasser.
Normalerweise würde ein kleiner Fehlausbruch nach unten das Seitwärtsszenario nicht unbedingt gefährden, zumal es ja bereits einen Fehlausbruch auf der Oberseite gab. Und häufig kommt es nach einem Fehlausbruch in die eine Richtung später zu einem spiegelbildlichen Fehlausbruch in die Gegenrichtung.
Die Dynamik des Rückfalls ist aber weiterhin sehr hoch. Eine sofortige Rückkehr in das gelbe Rechteck ist daher unwahrscheinlich. Hinzu kommen zwei weitere Punkte, die kurzfristig gegen die Bullen sprechen: Zum einen muss der aktuell laufende Test der runden 2.000er Marke erfolgreich verlaufen. Zum anderen haben die Bullen mit dem heutigen Rückfall eine weitere Unterstützung aufgeben müssen (siehe folgender Chart).
Neuer Aufwärtstrend wurde nicht bestätigt
Hier sehen Sie einen neuen möglichen Aufwärtstrend des S&P 500 (grün schattiert). Am Freitag stoppte der Kurs im Tief zunächst knapp oberhalb der Unterkante dieses Trends, denn dieser verstärkte natürlich die Unterstützung im Bereich der blauen Zone deutlich.
Heute sprang der Kurs aber gleich zur Eröffnung mit einer Kurslücke aus dem Trend heraus (siehe roter Pfeil). Damit gelang es dem S&P 500 nicht in diesen neuen Trend einzuschwenken. Im Mai gelang dies noch. Damals kam es exakt an der Unterkante eines breiteren, aber flacheren Trends zu einer Umkehr nach oben (siehe grüner Pfeil), nachdem der Kurs zuvor den ersten steilen und sehr schmalen Trend seit dem Februar-Tief (gestrichelte Linien) verlassen hatte.
Aus stimmungstechnischer Sicht ist diese verpasste Umkehr nach oben ein Warnsignal: Nachdem am Freitag die kurzfristigen Trader aus dem Markt geschüttelt wurden, hätten die zwischenzeitlichen Kursverluste bereits die langfristen Investoren in den Markt ziehen können. Immerhin sind Aktien dadurch noch attraktiver geworden, als sie es ohnehin schon waren (siehe diverse Ausgaben der Börse-Intern der vergangenen Tage). Die Unsicherheit sitzt also wohl tiefer, so dass die Bullen sich (noch) nicht wieder sammeln konnten, sondern vor dem Ansturm der Bären einknickten.
Das Bild im S&P 500 bleibt vorerst bullish – noch
Allerdings bleibt das Bild im S&P 500 vorerst bullish. Erst wenn der Kurs unter 1.928,70 Punkte fällt, gilt der im Februar gestartete Aufwärtstrend formal als gescheitert. Ich persönlich würde das Chartbild jedoch bereits dann als nachhaltig getrübt ansehen, wenn der S&P 500 unter die Unterstützung bei 1.950 Punkten fällt (schmale grüne Zone). Dieses Niveau ist das Ausbruchsniveau der Bodenformation nach dem Einbruch vom Jahresbeginn. Kurse unterhalb dieser Marke würden bedeuten, dass der damalige Ausbruch gescheitert ist. Das wäre natürlich ein sehr bearishes Signal.
Aber soweit ist es noch nicht. Momentan scheint bereits die 2.000er Marke als kräftige Unterstützung zu wirken. Wenn der Kurs in der 2.000er Region bleibt, wäre das natürlich die momentan beste Variante. Eine „Normalkorrektur“ könnte bis 1.965 Punkte gehen. Dieser Rückgang entspricht einem 50%-igen Rückgang des Anstiegs von Mitte Februar bis Anfang Juni. Knapp oberhalb dieses Kursniveaus verläuft bei 1.969 Punkten eine weitere Unterstützung (dünne grüne Linie).
Sie sehen also: Es besteht weiterhin kein Grund zur Panik. Im Gegenteil, es ist eher zu erwarten, dass die Anleger an den genannten Kursmarken wieder zugreifen. Denn wie gesagt, Aktien sind nach wie vor die attraktivste Anlageklasse.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
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