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Wie hängen Leitzinsen und Aktienkurse zusammen?

Ausgabe vom 27.03.2024

Wie hängen Leitzinsen und Aktienkurse zusammen?

von Sven Weisenhaus

Vor einigen Tagen fragte mich ein Leser, ob die Theorie überhaupt stimmt, dass niedrige (Leit-)Zinsen zu hohen Kursen am Aktienmarkt führen – und umgekehrt. Er lieferte auch gleich passende Gründe für diese Theorie mit: So würden zum Beispiel niedrige Zinsen zu niedrigeren Fremdkapitalkosten und einem niedrigeren Diskontierungssatz für Free-Cash-Flows und somit zu höheren Barwerten sowie einer sinkenden Attraktivität von Alternativanlagen führen. Doch er verwies darauf, dass DAX und Zinsen dennoch weitgehend parallel laufen – die Kurse also mit steigenden Zinsen zulegen und umgekehrt.

Beides ist richtig. Sinkende Zinsen sind aus den genannten Gründen grundsätzlich positiv für Unternehmen und somit die Aktienkurse. Zugleich sinken die Zinsen aber häufig zur Stimulierung der Konjunktur in wirtschaftlich eher schweren Zeiten, die schlecht für Unternehmen und Aktienkurse sind. Und die Notenbanken heben die Zinsen häufig an, wenn eine höhere Inflation droht, weil die Wirtschaft brummt, wobei Letzteres gut für Unternehmen und Aktienkurse ist.

Es kommt drauf an…

Ob niedrige (Leit-)Zinsen zu hohen Kursen am Aktienmarkt führen – und umgekehrt, hängt von der jeweiligen Marktsituation ab. Eine klare und eindeutige Korrelation gibt es daher auch nicht, wie der folgende Vergleich zwischen der Entwicklung des S&P 500 und dem Leitzins der US-Notenbank (Fed) zeigt.

Verlauf des US-Leitzinses vs. S&P 500
(Quelle: MarketMaker)

In den 90er Jahren sind die Aktienkurse gestiegen, egal ob der Leitzins (zuerst) gesunken oder (danach) gestiegen ist. Als die Dotcom-Blase Zum Jahrtausendwechsel platzte, führte dies zu sinkenden Kursen und Leitzinssenkungen. In dieser Zeit versuchte die US-Notenbank mit niedrigeren Zinsen, Schaden von der Wirtschaft abzuwenden. Anschließend erholten sich die Kurse am Aktienmarkt und die Währungshüter konnten die Zinsen wieder anheben. Letzteres endete jedoch in einer Krise am US-amerikanischen Immobilienmarkt die sich zu einer (weltweiten) Finanzkrise ausweitete. Die Aktienkurse brachen ein und die Krise wurde wieder mit sinkenden Leitzinsen bekämpft. Danach folgte eine erneute Phase steigender Aktienkurse, die sich von der Entwicklung der Leitzinsen kaum beeinflussen ließ. Erst als die Corona-Krise ausbrach, fielen Aktienkurse und Leitzinsen wieder parallel, wobei sich die Aktienkurse sehr schnell erholten und die Leitzinsen lange unten blieben. Nachdem Russland am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte, reagierte(n) die Notenbank(en) mit Zinsanhebungen (relativ spät) auf einen Inflationsschub, während die Aktienkurse zeitgleich fielen.

Aktienkurse werden nicht nur von Zinsen beeinflusst

Es ist also keineswegs so, dass niedrige (Leit-)Zinsen immer zu hohen Kursen am Aktienmarkt führen – und umgekehrt. Zumal die Aktienkurse nicht nur von den (Leit-)Zinsen, sondern vielen weiteren Faktoren beeinflusst werden – insbesondere auch von der Stimmung der Anleger.

So war es im aktuellen Zinszyklus zum Beispiel so, dass die Anleger zunächst die Angst hatten, die historisch schnell gestiegenen Leitzinsen würden die Wirtschaft in eine Rezession treiben. Doch vor allem die Konjunktur in den USA zeigte sich überraschend robust, was die Aktienkurse insbesondere am US-Markt nach oben trieb. Dieser Kursanstieg wurde später genährt, weil sich Zinssenkungshoffnungen aufbauten. Die Inflation hielt sich aber hartnäckiger als erwartet, so dass sich die Zinssenkungsphantasien nicht erfüllten, sondern nach und nach in Luft auflösten. Die Aktienkurse fielen aber nicht, weil eine KI-Euphorie die Aufgabe als Kurstreiber übernahm.

Wie reagieren die Aktienkurse auf anstehende Zinssenkungen?

Stellt sich nun die Frage, wie die Aktienmärkte auf anstehende Zinssenkungen reagieren. Allgemein wird erwartet, dass die Kurse von sinkenden Zinsen profitieren – aus den eingangs genannten Gründen (niedrigere Finanzierungskosten, niedrigerer Diskontierungssatz, etc.). Zumal der Leitzins vor allem der US-Notenbank nicht sinkt, um eine schwächelnde Wirtschaft anzutreiben. Stattdessen ist die Federal Funds Rate auf einem so hohen Niveau, dass sie die Wirtschaft eigentlich abkühlen soll. Und daher würden erste Zinssenkungen lediglich die Bremswirkung verringern.

Ein Leitzins deutlich oberhalb der Inflation ist restriktiv

Im vergangenen Jahr hatte ich bereits berichtet, dass ein Leitzins oberhalb der Inflationsrate der US-Notenbank die Möglichkeit eröffnet, ihn (im Tempo der wahrscheinlich weiter nachlassenden Inflation) so zu senken, dass er stets oberhalb der Inflationsrate bleibt und diese quasi von ihm auf das Ziel von 2 % gedrückt wird (siehe zum Beispiel Börse-Intern vom 04.05.2023).

Vor allem seit Dezember haben sich die Finanzierungsbedingungen aber bereits gelockert und damit die Wirkung entfaltet, die tatsächliche Zinssenkungen leisten sollten: Sie unterstützen das Wachstum, erhöhen aber auch die Inflationsrisiken. Je aggressiver der Markt zukünftige Zinssenkungen eingepreist hatte, desto weniger notwendig und wahrscheinlich wurden diese.

Inzwischen sind die Zinssenkungserwartungen deutlich zurückgegangen, weil sich die Inflation hartnäckig hielt. Zuletzt lag die US-Inflation bei 3,2 % (Kernrate: 3,8 %). Seit Oktober ist sie kaum noch gesunken. Sollte sich aber abzeichnen, dass sich die Abwärtstendenz fortsetzt, kann die Fed eine erste Zinssenkung vornehmen, da der Leitzins seit Juli 2023 bei 5,25 % bis 5,50 % und seitdem auch oberhalb der Jahresrate der Inflation liegt.

Der US-Leitzins ist seit Anfang 2022 historisch schnell gestiegen und verharrt seit Juli 2023 auf dem erreichten Niveau

Die ING Bank berichtete bereits vor mehr als 2 Monaten, dass der von der Fed beschriebene neutrale Zinssatz, der das Wirtschaftswachstum weder anregt noch bremst, bei 2,5 % liegt. Demnach wären Zinssenkungen um 300 Basispunkte möglich, um lediglich zu einer „neutralen Position“ zurückzukehren. So viele Zinsschritte sind aber nur dann zu erwarten, wenn sichergestellt ist, dass die Inflation ihr Ziel von 2 % dauerhaft erreicht.

Jedenfalls müssen sich die Aktienmärkte vor Zinssenkungen aktuell nicht fürchten – im Gegenteil. Das ändert sich erst, wenn sich abzeichnet, dass die US-Wirtschaft deutlich an Fahrt verliert und Probleme bekommt.


Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr 
Sven Weisenhaus 
www.stockstreet.de

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