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Ein Börsenmärchen zum historischen Ereignis

Ausgabe vom 20.02.2023

Ein Börsenmärchen zum historischen Ereignis

von Torsten Ewert

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

heute werden Sie Zeugen eines historischen Ereignisses: Zum ersten Mal seit der Gründung von Stockstreet im Jahr 2001 erscheint unser täglicher Newsletter an einem Rosenmontag – und das, obwohl keine Pandemie oder ein anderes Ereignis das übliche Karnevalstreiben verhindern.

Heiter-Nachdenkliches zum Rosenmontag

Warum? Weil in unsere Ankündigung, wann es mit der Börse-Intern weitergeht, der Rosenmontag übersehen wurde. Ein Tag, an dem in Köln die meisten Firmen, aber auch Ärzte, vor allem fast alle Geschäfte usw. geschlossen haben.

Offensichtlich haben alle redaktionellen Kontrollmechanismen versagt. Und ausgerechnet heute ist auch noch in den USA ein (Börsen-)Feiertag, der President’s Day. Aber versprochen ist versprochen. Und so mache ich aus der Not eine Tugend und nutze diesen Anlass, Ihnen etwas Heiter-Nachdenkliches zu präsentieren.

Und zwar einen Text, den ich im Jahr 2009 aus aktuellem Anlass für Stockstreet verfasst habe. Und da das damals Gesagte auch heute noch gilt, schadet es nichts, sich die beschriebenen Mechanismen an einem Tag der Muße – so wie heute – mal wieder vor Augen zu führen. Auch wenn der „Karren“ derzeit lange nicht so tief im Dreck steckt wie damals.

Wann, wenn nicht im Karneval, darf man mal träumen, flunkern, Märchen erzählen und all die klassischen Klischees bedienen, die (nicht nur) im Karneval nun mal so bedient werden?

Ich wünsche Ihnen eine vergnügliche Lektüre!

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert

Ein Börsenmärchen

von Torsten Ewert

Neulich hatte ich einen gar merkwürdigen Traum...

Traum von einem anderen Land

In diesem Traum war ich in einem fremden Land, das tief versteckt hinter hohen Bergen lag. Es lebten dort arbeitsame Menschen, die ob der kargen Bedingungen dort aber nur schwerlich zu Wohlstand kamen. Just zu der Zeit, als ich da nun erschien, hatte ihnen ein Wandersmann von einem anderen Land erzählt, das hinter den Bergen lag und in dem geradezu paradiesische Zustände herrschen sollten. Doch es ergab sich, dass dieses Land doch arg der Dinge ermangelte, welche die braven Leute hier in mühsamer Arbeit aus ihren Bergen schürften.

Und so entschlossen sie sich, mit einem Wagen die beschwerliche Reise über die Berge in dieses sagenhafte Land zu unternehmen. Da sie natürlich nicht alle gehen konnten, erwählten sie Fünfe, die sie für besonders geeignet hielten – oder die sich halt gerade anboten. Damit diese kleine Truppe dort drüben nicht zu armselig wirkte, erhielt sie einen grandiosen Wagen (der eigentlich ein bisschen zu groß für sie war) und er wurde natürlich besonders reichlich beladen (aber auch etwas mehr als eigentlich gut war).

Von Fünfen, die auszogen, die Welt zu erobern

Da mein Bergvolk über keinerlei Lasttiere verfügte, mussten die Fünfe sich buchstäblich selbst vor den Karren spannen. Anfangs ging das auch noch ganz gut. Aber weiter droben in den Bergen, als der Weg doch gar zu sehr anstieg, wurde es doch sehr beschwerlich.

Da stellte sich zudem heraus, dass die fünf Wackeren wohl nicht so recht zusammenpassten. Vorne gingen zwei, von denen sich einer doch sehr bemühte. Als kraftvoller Kerl, der er war, legte er sich mächtig ins Zeug und stapfte unermüdlich den Weg hinan. Allerdings zeigte er, den die anderen „Bürger“ nannten, alldieweil ein sehr verdrießliches Gesicht. Doch das war kein Wunder, wenn man sah, was die anderen derweil machten.

Neben dem Bürger ging eine gewaltige Matrone. Auch sie bemühte sich nach Kräften, aber aus irgendeinem Grund litt sie es nicht, neben dem Bürger zu gehen, so dass die beiden mitunter den Karren in unterschiedliche Richtungen zerrten, was dem Fortkommen natürlich nicht zuträglich war. Auch machte die resolute Dame, die auf den Namen „Wirtschaft“ hörte, ihrem Unmut über ihre Mitstreiter immer wieder lautstark Luft, aber fast mit derselben Regelmäßigkeit verhallten ihre Tiraden ohne Reaktion der anderen in den hohen Bergen.

Doch während der Bürger und die Wirtschaft den Karren, den man „Konjunktur“ genannt hatte, doch wenigstens nach vorne brachten, schienen die anderen Gesellen doch rechte Tunichtgute zu sein. Besonders arg trieben es die beiden jüngsten, zwei Brüder, die „Banken“ hießen. Sie liefen dem Wagen hinterdrein. Eigentlich sollten sie ihn schieben und den anderen an schwierigen Stellen kräftige Stecken reichen, „Kredite“ genannt, damit ihnen die Arbeit leichter von der Hand ging.

Doch die beiden trieben alldieweil allerlei Unfug, jonglierten mit den Stecken und probierten, wer von beiden die Konjunktur mit dem größten Hebel am schwungvollsten nach vorne bringen konnte. Mitunter war das eine rechte Freude, wie das Wägelchen dann durch die Berge sauste. Doch die Springinsfelde hielten nie lange aus, so dass der Wagen immer wieder ins Stocken kam. Dann sah man sie gar zuweilen hoch oben auf dem Karren sitzen, um sich von den anderen ziehen zu lassen. Vermutlich knobelten sie dann ihre nächsten Kunststückchen aus...

Der Rutsch in den Abgrund

Von all dem bekam der Fünfte nicht allzu viel mit. Die propere Gestalt nannte sich „Politik“ und ward eigentlich nie dabei gesehen, wie sie Hand an den Wagen anlegte. Vielmehr gefiel sie sich in der Rolle eines Stimmungsmachers und versuchte, die anderen mit markigen Sprüchen anzufeuern. Gelegentlich verschwand sie auch in dem allgegenwärtigen Nebel und war dann eher von Ferne zu vernehmen.

Aber meist achtete sie angelegentlich darauf, von allen gesehen zu werden und wechselte beständig die Seiten, um mal diesem, mal jenem ihre persönliche Aufwartung zu schenken. Auch wenn die Reaktionen darauf genauso gedämpft ausfielen, wie ihre gelegentlichen Rufe aus dem Nebel, ließ die Politik nicht ab davon, was sie „Rahmenbedingungen schaffen“ nannte.

Man ahnte schon, dass ein so schwieriges Unterfangen auf diese Art nicht gut ausgehen kann. Und so kam, was kommen musste: An einer besonders schwierigen Stelle riss das Seil, an dem die Wirtschaft just so vehement zerrte. Dann ging alles rasend schnell.

Die Wirtschaft ging in die Knie, und der Karren „Konjunktur“ tat einen mächtigen Ruck. Dabei fielen die Banken auf die Nase, mitten rein die Kreditstecken, die sie überall am Karren kunstvoll verteilt und miteinander verbandelt hatten. Das ganze Gebilde flog ihnen buchstäblich um die Ohren.

Jetzt hielt nur noch der Bürger die Stellung. Verzweifelt, mit aller Kraft und mit hochrotem Gesicht (ich wage nicht zu sagen, ob vor Anstrengung oder vor Zorn...) stemmte er sich gegen den Absturz an dem letzten verbliebenen Seil. Aber es war aussichtlos. Schließlich lagen – ziemlich angeschlagen – auch die Banken oben auf dem Wagen, und jeder ahnte, dass der Bürger die nicht auch noch halten konnte...

Wortfetzen flogen hin und her. Jemand wollte die (Kauf-)Kräfte des Bürgers stärker, ein anderer wollte einige große (Um-)Sätze machen, um aus der Misere zu kommen. Aber da kam der Wagen auch schon vollends ins Rutschen. Jetzt verfiel endlich auch die Politik in Aktion, klaubte einige der umherliegenden Stecken der Banken auf, nannte sie „Konjunkturprogramme“ und warf sie in großen Bündeln vor den abrutschenden Karren, wo sie im gleichen Augenblick zermalmt wurden. Der Wagen verschwand – immer schneller werdend – in der dunklen Tiefe der Berge.

Nach der Katastrophe

Nachdem sich der Staub verzogen hatte, erhob sich der Bürger, der sich bei der ganzen Sache schließlich doch eine blutige Nase geholt hatte, und klopfte sich den Dreck aus den Kleidern. Von den Banken war eine auf Nimmerwiedersehen mit dem Karren in der Tiefe verschwunden. Die andere lag heulend im Straßenkot und schrie, dass es einen Stein erweichen konnte, nach „Mutti“. Da erbarmte sich die Politik seiner und adoptierte das arme Kind.

Natürlich wollte die Wirtschaft nun auch getröstet werden, und wie die Politik nun einmal so war, ließ sie sich nicht lange bitten. Selbst dem Bürger warf sie einen liebevollen Blick zu, aber der hatte sich schon auf den Weg ins Tal gemacht. Unterwegs sammelte er Brennholz. Die zerbrochenen Stecken der Banken lagen ja noch überall herum. Konjunktur hin, Banken her, dachte er sich, der nächste Winter kommt bestimmt...

Etwas benommen von dem dramatischen Geschehen trottete ich hinterher. Da kam ein Wanderer des Wegs, stellte sich als „Konjunktur-Forscher“ vor und fragte mich, ob die Konjunktur nun einen V-, U- oder L-förmigen Verlauf nehmen würde.

Doch bevor ich ihm als Antwort auf diese Frage meinen Börsendienst empfehlen konnte, wachte ich auf...

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