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Corona führt zu unterschiedlichen Wegen
Ausgabe vom 23.10.2020
Corona führt zu unterschiedlichen Wegen
von Sven Weisenhaus
Heute wurden mit den Schnellschätzungen zu den Einkaufsmanagerindizes von IHS Markit aktuelle Stimmungsindikatoren veröffentlicht. Und diese fielen entsprechend der aktuellen Entwicklungen rund um das Coronavirus aus. Bereits mit den Einkaufsmanagerdaten des Vormonats zeigte sich, dass die steigenden Infektionszahlen wieder deutliche Spuren in der Wirtschaft hinterlassen. „Denn gerade den Einkaufsmanagern aus dem Dienstleistungsbereich, der auf möglichst uneingeschränkte Freizeitaktivitäten der Menschen angewiesen ist, bereitet die Wiedereinführung von Restriktionen zunehmend Sorgen“, hieß es dazu in der Börse-Intern vom 23. September. Und natürlich hat sich diese Tendenz mit Blick auf die immer neuen Rekordwerte und die schärferen Maßnahmen verstärkt.
Zweiteilung der Wirtschaft wird immer deutlicher
Das Barometer für den Dienstleistungssektor in Deutschland fiel um 1,7 auf 48,9 Punkte und damit wieder unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten.
Während viele Dienstleister also zunehmend unter den Eindämmungsmaßnahmen leiden und ihren Betrieb einschränken müssen, kann die Industrie weitgehend unbelastet ihrer Tätigkeit nachgehen. Laut den Einkaufsmanagerdaten kann sie ihre Erholung sogar in zunehmendem Tempo fortsetzen. Deren Barometer stieg um 1,6 auf 58,0 Punkte und erreichte damit den höchsten Stand seit Mai 2018.
In Summe führte dies dazu, dass der Gesamt-Einkaufsmanagerindex, der die Geschäfte von Industrie und Dienstleistern zusammenfasst, nur moderat nachgab, um 0,2 auf 54,5 Punkte.
Die Schwächen im Service-Bereich und die Stärken im produzierenden Gewerbe gleichen sich also in etwa aus, so dass sich die gesamte Wirtschaft Deutschlands seit vier Monaten in einem recht konstanten Tempo erholt. Die Zweiteilung der Wirtschaft birgt aber Risiken. So könnte die Industrie durchaus von der sinkenden Nachfrage nach Dienstleistungen belastet werden.
Wirtschaft der Eurozone schrumpft wieder
Gleiches gilt für die Wirtschaft der gesamten Eurozone. Auch hier leiden insbesondere die Dienstleister unter der zweiten Infektionswelle. Das entsprechende Barometer fiel auf 46,2 Punkte, von schon nur 48,0 Zählern im September, und rutschte damit tiefer in den Kontraktionsbereich. Derweil kann die Industrie auch hier, genau wie in Deutschland, an Wachstumstempo zulegen. Der Index stieg von 53,7 auf 54,4 Punkte.
Da der Industrieindex damit nur um 0,7 Zähler zulegte, der Service-Index aber mit -1,8 Punkten deutlich stärker verlor, zeigte sich der Gesamt-Einkaufsmanagerindex insgesamt belastet. Er gab um 1,0 Zähler nach und fiel mit nur noch 49,4 Punkten unter die Wachstumsschwelle von 50. Die Wirtschaft der Eurozone schrumpft demnach also wieder.
Immerhin wurden die Daten in etwa so erwartet und fielen sogar teilweise leicht besser aus als befürchtet. Daher hatten sie keine größeren Auswirkungen auf die Börsen.
Wenige Gewinner und viele Verlierer in der Pandemie
Allerdings zeigt sich beim Blick auf die Details, also auf die Aktienkurse der einzelnen Unternehmen schon sehr deutlich, wer inzwischen Gewinner und Verlierer der Pandemie ist. Viele Aktienkurse laufen kontinuierlich aufwärts, während ebenso viele in ähnlicher Stringenz abwärts tendieren. Wobei Gewinner in vielen Fällen nicht der richtige Begriff ist. Denn diverse Aktien erholen sich bislang auch nur von den scharfen Kurseinbrüchen. Nur relativ wenige Titel stehen derzeit höher als vor dem Corona-Crash.
Auch den Gewinnern droht noch mal eine Delle
Dabei halte ich die „Leichtigkeit“, mit der viele Aktien aktuell nach oben laufen, für gefährlich oder riskant – zumindest für die Anleger, die erst jetzt noch auf den längst fahrenden Zug aufspringen wollen. Denn irgendwann laufen Schutzmaßnahmen, wie in Deutschland die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht oder die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes aus. Und dann könnte die Wirtschaft noch einmal eine Delle erfahren, von der dann auch Unternehmen getroffen werden können, die sich aktuell zunehmender Aufträge und Verkäufe erfreuen.
Logisch, wenn mehr Unternehmen ihren Betrieb einstellen und mehr Menschen vom Kurzarbeitergeld auf Arbeitslosenunterstützung wechseln müssen, wird weniger investiert und konsumiert. Wie tief die Delle dann ausfallen wird, hängt ganz entscheidend davon ab, wie lange der Staat die Sondermaßnahmen aufrecht erhält, wie weit sich die Wirtschaft vom Corona-Schock erholt haben wird und wie gravierend die aktuelle zweite Welle noch ausfällt. Je schneller die Neuinfektionen eingedämmt werden und je weiter sich die Wirtschaft erholt bzw. je weniger die Konjunkturerholung durch die zweite Welle gebremst wird, desto kleiner dürften die Effekte aus dem Ende der stattlichen Hilfsmaßnahmen ausfallen.
US-Wirtschaft wächst im Industrie- UND im Service-Sektor
Von derartigen Sorgen scheint die US-Wirtschaft weit entfernt. Hier konnten alle drei Einkaufsmanagerindizes zulegen: Das Barometer für die gesamte US-Wirtschaft legte von 54,3 auf 55,0 Punkte zu und erreichte damit den höchsten Stand seit Februar 2019.
Der Index für die Industrie stieg von 53,2 auf 53,3 Punkte und auch der Service-Index konnte hier zulegen, von 54,6 auf 56,0 Zähler. Damit machte er sogar einen deutlich größeren Sprung nach oben als der Industrie-Index. Und der Dienstleistungssektor der USA wächst schneller als die Industrie.
Die Börse verfolgt knallhart wirtschaftliche Interessen
In den Wirtschaftsdaten spiegeln sich die unterschiedlichen Herangehensweisen der USA und der Eurozone im Umgang mit dem Coronavirus wider. Allerdings funktioniert die US-Wirtschaft auch ganz anders als die der Eurozone. Sie ist zum Beispiel deutlich weniger sozial, unter anderem beim Arbeitnehmerschutz. Auch deshalb lässt sich trefflich darüber streiten, welcher Weg der bessere oder richtige ist. Wobei man auch noch ethische und viele weitere Faktoren berücksichtigen muss.
Allein gemessen an den Einkaufsmanagerindizes von IHS Markit gelingt es aktuell jedenfalls der US-Wirtschaft besser, die Corona-Krise zu überwinden. Und da die Börse ihren Fokus emotionslos ausschließlich auf die wirtschaftliche Entwicklung richtet, erklärt es sich auch, warum der DAX gestern bis auf das Niveau vom 25. September zurückgefallen ist, während die US-Indizes noch deutlich über ihren vor einem Monat markierten Kursen stehen.
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Ihr
Sven Weisenhaus
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