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Jetzt sind die Bären doch noch in Fahrt gekommen
Ausgabe vom 30.07.2020
Jetzt sind die Bären doch noch in Fahrt gekommen
von Sven Weisenhaus
Die Zinsentscheidung der US-Notenbank brachte gestern keine Überraschungen. Die Geldpolitik der Federal Reserve (Fed) wird unverändert fortgesetzt. In der Pressekonferenz sagte Fed-Chef Jerome Powell, die Zentralbank könne auf absehbare Zeit nicht daran denken, aus der Krisenpolitik auszusteigen. „Wir sind dabei, bis es wirklich vorbei ist.“
Die Corona-Krise drückt in den USA auf die Konjunkturerholung
Wie es mit der Wirtschaft weitergehe, sei maßgeblich von der Eindämmung des Virus abhängig, so Powell. Der Virus sei sogar der „wichtigste wirtschaftliche Faktor“. Und in dieser Hinsicht läuft es derzeit in den USA bekanntlich alles andere als in die richtige Richtung. Die Neuinfektionszahlen schwanken seit Tagen auf hohem Niveau um die 60.000er-Marke. In vielen Regionen werden die Klinikbetten knapp. Am Dienstag wurden nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität 1.592 Corona-Tote binnen 24 Stunden verzeichnet - die höchste tägliche Totenzahl seit Mitte Mai.
Die Notenbank kam vor diesem Hintergrund zu der Erkenntnis, dass die anhaltende Krise der öffentlichen Gesundheit die Wirtschaftstätigkeit, die Beschäftigung und die Inflation in naher Zukunft stark belasten und mittelfristig erhebliche Risiken für die Wirtschaftsaussichten darstellen wird. Und in den letzten Wochen habe es bereits einige Anzeichen dafür gegeben, dass die Zunahme der Virusfälle und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung beginnen, die Wirtschaftstätigkeit wieder zu belasten, sagte Powell.
Anträge auf Arbeitslosenquote erneut gestiegen
Passend dazu wurde heute wieder ein Anstieg der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe gemeldet, der zweite in Folge. Diese lagen in der aktuellen Berichtswoche bei 1,434 Millionen, nach revidiert 1,422 Millionen in der Woche zuvor.
Diese Entwicklung drückt natürlich auch auf die Verbraucherstimmung, die zuletzt wieder nach-gegeben hat.
Verbraucher werden wieder zurückhaltender
Der vom Conference Board erhobene Consumer Confidence Index wurde vorgestern mit einem Juli-Wert von 92,6 Punkten angegeben. Der starke Anstieg auf 98,3 Punkten vom Juni wurde damit wieder ein großes Stück weit egalisiert.
Schon vor etwa zwei Wochen kam die Uni Michigan zu einem ähnlichen Ergebnis.
Dass die Notenbank dennoch am aktuellen Kurs festgehalten und nicht schon erneut nachgelegt hat, war zu erwarten, weil der Ball nun vorerst bei der Fiskalpolitik liege, was Powell gestern auch noch einmal hat durchblicken lassen. Der US-Kongress ist bereits dabei, ein neues Hilfspaket zu schnüren. Und die Notenbank wird ihre zukünftige Geldpolitik sicherlich auch von der Ausgestaltung der weiteren Konjunkturhilfen der US-Regierung abhängig machen.
Ab sofort wöchentlich 15 Milliarden Dollar weniger Einkommen
Allerdings liegen die Vorstellungen von Demokraten und Republikanern, die über das neue Hilfspaket verhandeln, weit auseinander. Und wenn sich dies nicht bald ändert, könnte das zu einem großen Problem werden, auch für die Aktienmärkte. Denn wie wir unseren Lesern des Premium-Trader bereits geschrieben haben, sind in den USA derzeit über 32 Millionen Menschen arbeitslos. 25 Millionen davon haben von einer temporären Erhöhung der Hilfen um 600 Dollar pro Woche (!) profitiert. Doch inzwischen wurden die letzten Schecks in dieser Höhe verschickt. Und damit stehen den US-Bürgern nun wöchentlich 15 Milliarden Dollar weniger an Einkommen zur Verfügung. Das ist Geld, welches nicht ausgegeben und damit nicht in die Geldbeutel der Unternehmen fließen kann. Kein Wunder also, dass Fed-Chef Powell von der Regierung fordert, neue Hilfen zu beschließen.
US-Wirtschaft weniger stark eingebrochen als erwartet
Dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA laut einer ersten Schätzung von heute im 2. Quartal 2020 um annualisiert -32,9 % gegenüber dem Vorquartal gesunken ist, nach einem Minus von 5,0 % im 1. Quartal 2020, war vor diesem Hintergrund für die Aktienmärkte kaum noch entscheidend.
Die durchschnittlichen Prognosen von -34,1 % wurden zwar geschlagen, doch das 2. Quartal liegt schon weit zurück. Entscheidender waren die erneut schwachen Arbeitsmarktdaten, die heute wieder mit scharf fallenden Aktienkursen quittiert wurden.
Deutsche Wirtschaft stärker eingebrochen als erwartet
Und entscheidend war offenbar auch, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland ersten Schätzungen zufolge im 2. Quartal 2020 um -10,1 % zum Vprquartal gesunken ist, nach -2,0 % 1. Quartal. Denn das war nicht nur der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970 und das Minus fiel nicht nur deutlich stärker aus als während der Finanz- und Wirtschaftskrise (-4,7 % im 1. Quartal 2009), sondern es gab auch stärker nach als erwartet (-9,0 %).
Und womöglich haben deshalb DAX und Euro STOXX 50 heute wesentlich stärker nachgegeben als die US-Indizes. Während der Dow Jones als schwächster US-Index neben dem S&P 500 und dem Nasdaq 100 weniger als 2 % einbüßte, brachte es der DAX zeitweise auf deutlich mehr als 4%.
DAX bricht in hohem Tempo ein
Im Tief hat der deutsche Leitindex exakt 61,80 % der im Juni gestarteten Aufwärtsbewegung korrigiert.
Fällt der Index auch noch unter das 61,80er Retracement, sollte man ein Widersehen mit dem Juni-Tief einkalkulieren. Angesichts der hohen Abwärtsdynamik halte ich dieses Szenario leider für wahrscheinlich.
Die Bären haben also doch noch ihre Chance genutzt (siehe gestrige Börse-Intern). Und ich gehe davon aus, dass sie sich nun wieder etwas mehr austoben werden. Zumal der DAX mit Blick auf den folgenden Chart noch weiteren Korrekturbedarf hat, um die gesamte Kurserholung seit dem März-Tief zu „verdauen“.
Während im ersten Chart oben das 61,80er Fibonacci-Retracement angelaufen wurde, ist es im unteren Chart die Mittellinie bei 12.235 Punkten. Bietet diese keinen Halt, ist die Rechteckgrenze bei 11.880 Punkten das Kursziel. Und läuft der DAX dieses an, kann ich mir gut vorstellen, dass auch hier die Fibonacci-Marken (schwarze Linien) noch eine Rolle spielen werden.
Fazit
Die aktuellen Konjunkturdaten aus den USA passen zu den Aussagen von Jerome Powell, wonach die Wirtschaftserholung durch die Virusausbreitung unter zunehmendem Druck steht. Und die aktuellen BIP-Daten haben den Anlegern vor Augen geführt, welche Konsequenzen dies haben kann. Entsprechend haben die Aktienmärkte heute deutlich nachgegeben. Bleiben die Bären nun am Ball und nutzen sie ihren Vorteil, könnte die Saisonalität wieder einmal einige Gewinne am Aktienmarkt schmälern.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus
www.stockstreet.de
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