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Sind Devisenhändler schlauer als Aktienanleger?
Ausgabe vom 15.07.2020
Sind Devisenhändler schlauer als Aktienanleger?
von Sven Weisenhaus
US-Präsident Donald Trump hat das neue Sanktionsgesetz gegen China wegen des Umgangs mit Hongkong unterzeichnet. Das gab Trump heute Nacht auf einer Pressekonferenz bekannt (ab ca. 23:30 Uhr MESZ). Daneben kündigte Trump an, Hongkong den US-Sonderstatus zu entziehen. Damit wird es keine Handelsprivilegien mehr für die ehemalige britische Kolonie geben. Es ist sogar zu befürchten, dass die Strafzölle der USA im Handelsstreit mit China zukünftig auch auf Exporte aus der Sonderverwaltungszone ausgeweitet werden.
Die Stimmung zwischen den beiden Ländern wird damit natürlich erneut belastet. Zumal China bereits Vergeltungsmaßnahmen angekündigt hatte, für den Fall, dass das Trump das US-Gesetzt in Kraft setzt.
Aktienmärkte machten einen Freudensprung
Doch wie reagierten die Aktienmärkte auf diese Nachricht? Der Dow Jones sprang zum Beispiel direkt nach Wiederaufnahme des Future-Handels um 0 Uhr (MESZ) mehr als 1 % nach oben. Damit ist dem Index der Sprung über das Hoch vom 16. Juni gelungen (siehe grüner Pfeil im folgenden Chart). Der Rücksetzer auf die Abwärtstrendlinie(n), über den ich gestern noch berichtete, war also tatsächlich nur ein Test von oben.
Die Konsolidierung der vergangenen Wochen ist somit beendet, auch weil der Index nun sämtliche Abwärtstrendkanäle und Abwärtstrendlinien (rot im Chart) hinter sich gelassen hat, über die ich zuletzt hier kontinuierlich berichtet hatte.
Die Märkte hatten wohl Schlimmeres erwartet
Wie kommt eine solche bullishe Reaktion zustande? Wahrscheinlich hatten die Märkte befürchtet, Trump würde mit Bekanntgabe der Unterzeichnung noch weitere Maßnahmen beschließen, wie zum Beispiel neue Zölle. Es hatte auch Meldungen gegeben, dass die US-Regierung darüber nachgedacht haben soll, wegen des Streits über das Sicherheitsgesetz für Hongkong den dortigen Banken den Zugang zur US-Währung zu beschneiden. Doch dazu ist es nicht gekommen. Und das haben die Aktienmärkte wohl mit einem Freudensprung quittiert.
Impfstoff-Hoffnungen überflügeln neue Lockdown-Maßnahmen
Zusätzlich gestützt wurden die Kurse von der Meldung, dass der Impfstoffkandidat gegen Covid-19 von der Firma Moderna in einer aktuellen Studie seine Sicherheit unter Beweis stellte und bei allen Probanden die erwünschte Immunreaktion hervorrief.
Ein solcher Impfstoff scheint auch dringend nötig. Denn in den USA steigen die Corona-Fallzahlen unaufhörlich weiter, weshalb in immer mehr Regionen wieder Lockdown-Maßnahmen beschlossen werden. Und das wird den Erholungskurs der US-Wirtschaft bremsen. Doch die Hoffnungen auf einen Impfstoff überflügelten die Sorgen vor möglichen wirtschaftlichen Schäden durch die Geschäftsschließungen.
Sind die Devisenhändler schlauer als die Aktienanleger?
Insgesamt ist es für mich kaum nachvollziehbar, dass die Aktienmärkte in der Nacht einen Freudensprung nach oben gemacht haben. Eine gegenteilige Kursreaktion wäre aus meiner Sicht plausibler gewesen. Und das scheinen die Devisenanleger ähnlich zu sehen. Denn diese strafen den Dollar jüngst wieder recht deutlich dafür ab, dass die Epidemie in den USA weiter grassiert, während in der Eurozone strengere Maßnahmen ergriffen werden, um die Zahl der Neuinfektionen möglichst klein zu halten. Entsprechend konnte der Euro zulegen.
Dem EUR/USD gelang heute sogar der Anstieg über das Hoch vom 10. Juni (siehe grüner Pfeil im Chart). Zuvor hatte es eine bogenförmige Konsolidierung gegeben. Und mit ihr unterscheidet sich der aktuelle Kursverlauf nun recht deutlich von dem im März. Die mögliche Trendwende, die damals in sich zusammenbrach (gelbe Ellipse), scheint nun zu gelingen.
In der vorangegangenen EUR/USD-Analyse vom 12. Juni hatte ich den Euro schon klar im Vorteil gegenüber dem US-Dollar gesehen. Am 19. Juni markierte der Wechselkurs das Tief der Gegenbewegung. Seitdem kann er wieder zulegen. Aus charttechnischer Sicht muss dem EUR/USD allerdings erst noch der klare Anstieg über die Hochs zwischen 1,14 und 1,15 USD gelingen, damit sich die Trendwende etablieren und fortsetzen kann. Und wenn das Tief der bogenförmigen Konsolidierung bei 1,11683 USD unterschritten wird, ist wieder „Sand im Getriebe“. Dann könnte es doch eher auf eine Seitwärtstendenz hinauslaufen.
Doch ich gehe davon aus, dass sich die Aufwärtstendenz fortsetzen kann, solange das Coronavirus in den USA deutlich stärker wütet als in der Eurozone. Und da man den Devisenhändlern grundsätzlich einen sehr guten Riecher für Marktentwicklungen unterstellt, ist im Umkehrschluss anzunehmen, dass die Aktienanleger mit ihren jüngsten Käufen womöglich falsch gelegen haben.
Nasdaq 100 plötzlich schwächer als Dow Jones und S&P 500
Dafür gibt es auch schon erste Anzeichen. So hat ausgerechnet der Nasdaq 100, der bis vor kurzem noch mit einer übertriebenen relativen Stärke glänzte, seine Kursgewinne der Nacht schon wieder mehr als vollständig abgegeben, trotz guter Wirtschaftsdaten aus den USA. Damit präsentiert er sich seit seinem Allzeithoch von vorgestern schwächer als der Dow Jones oder der S&P 500. Das ist ein nächstes Warnsignal, welches auf eine mögliche Marktwende hindeutet. Der aktuelle Ausbruch des Dow Jones könnte sich daher auch wieder als Fehlsignal entpuppen.
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Sven Weisenhaus
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