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Die Märkte hatten mehr erwartet
Ausgabe vom 14.04.2020
Die Märkte hatten mehr erwartet
von Sven Weisenhaus
Aufgrund von technischen Problemen war der Xetra-Handel heute kurz nach der Eröffnung ab ca. 9:20 Uhr für mehrere Stunden unterbrochen. Dadurch konnte der Xetra-Dax für diesen Zeitraum offiziell nicht berechnet werden. Ab ca. 14:10 Uhr war das Problem behoben.
Die Anleger hatten dadurch nach den Oster-Feiertagen heute gleich zwei Mal die Gelegenheit, in die neue Börsenwoche zu starten. Zwei Mal gelang ihnen dabei auch ein freundlicher Handelsauftakt. Doch die Kursgewinne waren jeweils nur relativ moderat und es fehlte an Anschlussgewinnen. Stattdessen pendelten die Kurse in sehr ruhigen Bahnen.
Dabei hatten die Anleger durchaus wichtige Ereignisse zu verdauen und einzupreisen. Aber da an den wichtigen asiatischen und US-amerikanischen Börsen bereits gestern gehandelt wurde und sich die Kurse am Ende wieder in etwa dort einfanden, wo sie in der vergangenen Woche notierten, zeigte sich eben auch der DAX heute nur wenig verändert.
Corona-Rettungspaket für die Eurozone
Das erste wichtige Ereignis war das Ergebnis der zähen Verhandlungen der europäischen Finanzminister. Diese verständigten sich am späten Donnerstag (MESZ) auf ein mindestens 500 Milliarden Euro schweres Corona-Rettungspaket. Wobei ich dieses Paket eher nicht als Rettungs-, sondern bislang eher noch als Stabilisierungs- oder als Präventionspaket bezeichnen würde. Denn noch sind die Länder der Eurozone gar nicht auf Hilfen angewiesen, weil sie sich, auch dank der erweiterten Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB), noch zu sehr niedrigen Zinsen verschulden können. Die 500 Milliarden Euro dienen aus meiner Sicht daher eher der Abschreckung von Spekulanten und der Stabilisierung der Zinsen.
Da die Einigung auf das Paket noch vor Ende des Späthandels am Donnerstag bekanntgegeben wurde, hatten die Märkte darauf noch reagieren können. Aber größere Kursausschläge waren nicht zu verzeichnen. Die Märkte hatten längst auf einen Beschluss gesetzt und diesen bereits eingepreist. Dieses Thema war längst durch.
Förderkürzungen der OPEC+
Brisanter war dagegen das zweite Ereignis, welches für die Märkte sehr wichtig war: Die Beratungen der ölproduzierenden Länder aus dem Verbund der sogenannten OPEC+. Diese haben sich am Wochenende auf Förderkürzungen geeinigt, um die Ölpreise zu stabilisieren bzw. wieder nach oben zu treiben. Die Tagesproduktion soll im Mai und Juni um 9,7 Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) sinken. Als Ausgangsniveau wurde jeweils die Produktionsmenge vom Oktober 2018 festgelegt, wobei für Saudi-Arabien und Russland ein eigenes Ausgangsniveau von 11 Millionen Barrel pro Tag gilt.
Die Ölpreise hat dies aber letztlich ebenfalls kaum nachhaltig beeinflussen können. Zwar kam es gestern zu größeren Kursausschlägen, aber der Beschluss hat die Ölpreise per Saldo kaum stärker nach oben treiben können. Der Grund: Die vereinbarte Kürzung ist zwar die größte, die jemals vorgenommen wurde, doch sie reicht trotzdem nicht aus, um die gesunkene Nachfrage auszugleichen.
Denn die beschlossene Kürzung reduziert zwar das weltweite Angebot um ca. 10 %, doch einige Experten gehen davon aus, dass die weltweite Rohöl-Nachfrage durch die Beschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie um etwa ein Drittel bzw. rund 30 Millionen Barrel pro Tag zurückgegangen ist. Eine Kürzung um „nur“ 10 Millionen Barrel kann daher das aktuelle Überangebot nicht beseitigen, sondern nur verkleinern.
Die aktuelle Öl-Förderkürzung ist nicht genug
Zudem hatten die Märkte auf mehr gehofft. Denn schon am Freitag kursierten Meldungen, dass die OPEC+ zusammen mit anderen Ländern eine Kürzung der Ölproduktion um 20 Millionen Barrel pro Tag vornehmen wollte. Weitere Ölproduzenten wie die USA, Kanada, Brasilien oder Norwegen sollten sich der Förderbremse anschließen. Dazu ist es aber nicht gekommen.
Stattdessen liegt die aktuell beschlossene Menge sogar um 300.000 Barrel unter dem ursprünglichen, am Donnerstag und Freitag benannten Ziel, weil sich Mexiko bis zuletzt geweigert hat, die geforderten 400.000 Barrel beizusteuern, und bei seinem Angebot geblieben ist, 100.000 Barrel aus der Produktion zu nehmen. Der mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador überraschte jedoch mit der Ankündigung, die USA würden einen Teil der Kürzungen übernehmen, zu denen Mexiko aufgefordert war. Und US-Präsident Donald Trump bestätigte dies.
Allerdings habe Trump lediglich angeboten, die US-Produktion um 250.000 Barrel pro Tag zu reduzieren, um Mexiko bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen zu unterstützen, sagte Lopez Obrador vor Journalisten. Die OPEC+ hatte eigentlich gehofft, dass die USA einen größeren Beitrag zur Stabilisierung der Ölpreise beisteuern. Doch die USA argumentieren, dass der niedrige Ölpreis bereits zu einer geringeren Ölförderung in den USA geführt hat.
US-Ölförderern droht die Pleite
Und tatsächlich hat die Zahl der aktiven Öl-Förderanlagen, der sogenannten Rigs, in den USA mit 562 bereits den niedrigsten Stand seit 2017 erreicht. Experten rechnen dadurch mit einem Rückgang der Öl-Fördermenge um 2 bis 3 Millionen Barrel pro Tag. Die ersten Schieferöl-Firmen haben in den USA auch bereits Gläubigerschutz beantragt. Die US-Schieferölförderer brauchen Experten zufolge wegen ihrer teureren Fracking-Technik einen Ölpreis von etwa 50 Dollar je Barrel (159 Liter), um profitabel zu arbeiten. Die US-Ölsorte WTI kostet aber derzeit nur etwa 21 Dollar.
Damit befindet sich der Ölpreis aktuell schon wieder auf dem Rückzug (siehe rote Ellipse im Chart) – seit dem Tageshoch vom vergangenen Donnerstag bei 28,35 USD hat er schon wieder um mehr als ein Viertel nachgegeben. Das zeigt, wie enttäuscht der Markt von der aktuellen Förderkürzung ist. Eine Rückkehr in die Range im Bereich von ca. 60 USD (oberes gelbes Rechteck) ist noch in weiter Ferne und ohne stärkere Förderkürzungen auf absehbare Zeit nicht zu erreichen.
Fazit
Die Märkte hatten auf positive Meldungen gehofft. Diese gab es auch durchaus. Aber die Erwartungen waren höher. Und daher reichten die Meldungen nicht aus, um die Kurse weiter nach oben zu treiben, weder am Aktien- noch am Rohölmarkt. Und wenn es dabei bleibt, dürfte bald nicht nur der Ölpreis wieder den Rückzug angetreten haben. Dann könnte es auch wieder zu Verlusten an den Aktienmärkten kommen, die man gestern schon in den US-Indizes gesehen hat.
Denn die Kurserholungen an den Aktienmärkten sind schon weit gelaufen. Damit sich diese fortsetzen können, braucht es neue positive Nachrichten. Aktuell ist aber nicht absehbar, welche dies noch sein könnten, außer eine klare Trendwende in der Coronavirus-Pandemie. Die Notenbanken können die Märkte nicht ewig vor schlechten Nachrichten retten, die mit Beginn der Berichtssaison nun zweifelsohne auf die Märkte einprasseln werden.
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Ihr
Sven Weisenhaus
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