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Aktuelle Kursbewegungen nicht überbewerten
Ausgabe vom 09.10.2019
Aktuelle Kursbewegungen nicht überbewerten
von Sven Weisenhaus
Beim Lesen der Nachrichten komme ich in diesen Tagen wieder regelmäßig ins Schmunzeln. Egal was die Märkte machen, ob sie ein paar Punkte steigen oder fallen, immer ist der Handelskonflikt schuld daran. Beispiele gefällig? Gestern Abend titelte zum Beispiel Reuters „Ungewissheit im Handelsstreit belastet Wall Street“. Heute am frühen Morgen um 4:51 Uhr hieß es dann: „Handelsstreit und Visabeschränkungen belasten asiatische Börsen“. Und am späteren Morgen um 9:11 Uhr lautete eine Schlagzeile: „Anleger bleiben vor Handelsgesprächen auf der Hut“. So weit, so einheitlich. Doch heute Mittag wurde nach leicht gestiegenen Aktienkursen um 12:19 Uhr gemeldet: „Anleger halten an Hoffnung im Handelsstreit fest“. Dabei gab es in der Zwischenzeit keine Meldung, die zu dieser Hoffnung berechtigt hätte.
Anleger greifen nach jedem Strohhalm
Im Grunde sind die Agenturmeldungen aber natürlich nicht falsch. Die Börse ist eben die meiste Zeit stimmungsgetrieben. Und da sich positive und negative Meldungen zum Handelsstreit derzeit regelmäßig abwechseln, sind die Anleger hin und her gerissen. Sie greifen nach jedem noch so kleinen Strohhalm, also nach jedem Hinweis im Handelsstreit, um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden bzw. möglichst von Anfang an dabei zu sein, wenn neue Tatsachen im Handelskonflikt für größere Kursbewegungen sorgen.
Normales Marktrauschen in engen Konsolidierungen
Ob aber die kurzfristigen Schwankungen nun tatsächlich hauptsächlich nachrichtengetrieben sind, darüber lässt sich streiten. Es kann sich stattdessen auch um ganz normales „Marktrauschen“ handeln, für das es keine marktbewegenden News braucht. Und dabei gilt das Motto „Kurse machen Nachrichten“. In einer solchen Phase kann man sich auch einfach einmal sehr gut an die Seitenlinie stellen, bis sich neue klare Trends abzeichnen. (Daher ist auch in unseren Stockstreet-Börsenbriefen derzeit wenig Aktivität.) Zumal ich ja bereits wiederholt die Erwartung beschrieben habe, dass die Märkte in Seitwärtstendenzen einschwenken. Und in denen ist es völlig normal, dass die Kurse mal aufwärts und mal abwärts tendieren.
US-Notenbank greift beruhigend in den Markt ein
Will man aber unbedingt eine Erklärung für die heute freundlichen Aktienmärkte haben, dann kommt dafür aus meiner Sicht eher die Meldung infrage, dass der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, mit dem Kauf von Wertpapieren gegen die Spannungen auf dem US-Geldmarkt vorgehen will und außerdem eine weitere Zinssenkung in diesem Jahr signalisiert hat. Denn diese Meldung lief bereits gestern Abend (MESZ) über die Ticker. Und zu dieser Zeit kam es bereits zu einer Kurserholung in den US-Indizes.
Woher kommen die Spannungen am Geldmarkt?
Allerdings war diese Kurserholung nicht von Dauer. Denn Powell sagte im Rahmen einer Wirtschaftskonferenz in Denver auch, dass lediglich der Kauf von Geldmarktpapieren (T-Bills), also Wertpapieren mit kurzer Laufzeit angepeilt werde. Und dies stelle keine Rückkehr zum QE-Programm dar. Die Maßnahme ziele lediglich darauf ab, Spannungen am US-Geldmarkt zu verhindern. Und hier stellt sich eher die Frage, warum es derzeit überhaupt zu diesen Spannungen kommt.
Das letzte Mal, dass US-amerikanische Banken Probleme bei der Abwicklung alltäglicher Geschäfte hatten und hohe Zinsen für die täglich benötigten Finanzmittel gezahlt werden mussten, war zum Zeitpunkt der Finanzkrise. Und daher ist die aktuelle Entwicklung eher ein Warnsignal. Wohl auch deshalb sind die gestrigen und heutigen Kurserholungen eher moderat und fallen immer wieder in sich zusammen.
Hinweise auf dritte Leitzinssenkung?
Auch die neuen Hinweise auf die weitere Entwicklung der Leitzinsen in den USA kann man kritisch sehen. Powell verglich die aktuelle Situation mit der in den 1990er Jahren. Damals hatte die Fed den Leitzins dreimal gesenkt, um den Aufschwung der Wirtschaft zu stabilisieren. Beobachter werten diesen Vergleich daher als Hinweis auf eine dritte Zinssenkung in 2019, was die Zinssenkungsfantasien und damit die Aktienkurse antreibt.
Doch Leitzinssenkungen werden nur dann erforderlich, wenn die Wirtschaft schwächelt. Und dass sie dies auch in den USA tut, lässt sich an den Konjunkturdaten und in erster Linie den Frühindikatoren (Einkaufsmanagerdaten) ablesen. Doch dies bedeutet eben auch sinkende Unternehmensgewinne – und damit eigentlich sinkende Aktienkurse.
Aktuelle Entwicklungen lassen die Märkte abwarten
Die aktuellen Ereignisse und Entwicklungen kann man also bullish und bearish werten. Und so erklärt es sich eben auch, dass die Märkte in einer Konsolidierung stecken, in denen die Kurse auch durchaus grundlos auf und ab laufen können (Marktrauschen). Im DAX ist diese Seitwärtskonsolidierung inzwischen schon sehr deutlich zu erkennen (siehe gelber Pfeil im Chart).
Im kurzfristigen Bereich konnten die Bullen noch einmal zurückkommen (siehe folgender Chart). Sie holten die Verluste des Vortages auf und konnten im zweiten Anlauf sogar das Mindestziel einer Kurserholung (38,20%-Fibonacci-Retracement) übertreffen.
Doch mehr als eine normale Gegenbewegung (50 % des vorangegangenen Impulses) ist ihnen weiterhin nicht gelungen (siehe roter Pfeil). Der DAX steckt dadurch nach wie vor in einer nur sehr moderaten Kurserholung, die eher wie eine bearishe Flagge aussieht (grüner Trendkanal) und daher dafür spricht, dass es bald noch zu einer zweiten Abwärtswelle kommt – zumindest wenn die Flagge nach unten aufgelöst wird.
Mit dieser dürfte der DAX dann unter die Rechteckgrenze bei 11.880 Punkten fallen. Der bullishe Impuls von Ende August und Anfang September wäre damit neutralisiert und die Seitwärtstendenz somit weiter etabliert. Unwahrscheinlicher wird dies vorerst nur, wenn der DAX noch mehr als 61,80 % der jüngsten Abwärtswelle aufholt.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
www.stockstreet.de
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