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Weckruf für die Bullen
Ausgabe vom 03.12.2018
Weckruf für die Bullen
von Torsten Ewert
Sehr verehrte Lesrinnen und Leser,
das Wetter scheint in diesem Jahr viel durcheinandergebracht zu haben: die Natur, die Benzinpreise und nun auch noch die Bullen. Diese halten wohl schon Winterschlaf – was zum einen generell sehr ungewöhnlich wäre, zum anderen, weil bis in den November noch frühsommerliche Temperaturen herrschten. Aber womöglich gibt es für die Bullen bald einen Weckruf.
Was die Bullen jetzt aufwecken sollte
Von der Jahresendrally ist jedenfalls bisher nichts zu sehen. Weder das erfreuliche Ergebnis des Thanksgiving-Einkaufswochenendes (siehe Börse-Intern vom 26.11.2018) noch die überraschende Äußerung von Fed-Chef Powell in der Vorwoche (siehe Börse-Intern vom 29.11.2018) haben bisher die seit Oktober laufende Korrektur beendet.
Immerhin legten die Kurse der US-Indizes seit ihrem Tief am 23. November deutlich und zu. Und damit eröffnet sich eine Aussicht auf eine mittelfristige Wendeformation. Am prägnantesten ist diese im S&P 500 zu erkennen:
Sie sehen hier die Formation in nahezu idealer Ausprägung. Am markantesten ist die unglaubliche Symmetrie des W (gelbe Linien), die lediglich durch dadurch minimal gestört wird, dass das linke Tief etwas tiefer liegt. Das wiederum ist jedoch ein sehr häufiges Merkmal einer solchen W-Formation.
Die Merkmale der W-Formation
Ein weiteres, absolut notwendiges Merkmal einer W-Formation ist der Volumenanstieg in den Tiefs (siehe violette Bögen). Auch dieser ist fast ideal, und zwar ist er im linken Tief höher als im rechten, was zusammen mit den tieferen Kursen der linken Seite sehr schön den Stimmungsumschwung charakterisiert – von Angst zu (relativer) Gelassenheit.
Im aktuellen Fall müssen wir am Volumenanstieg im rechten Tief allerdings ein paar Abstriche machen, denn dieses Tief bildete sich ausgerechnet am Freitag des Thanksgiving-Wochenendes, an dem nur ein verkürzter und damit schwacher Handel stattfindet. Aber der Volumenanstieg im Vorfeld der Bildung dieses Tiefs ist klar erkennbar.
Der Unterschied zwischen W-Formation und Doppelboden
Für die charttechnisch Interessierten: Ich nenne die Formation bewusst W-Formation und nicht Doppelboden. Beide Formationen sind sehr ähnlich haben einen entscheidenden Unterschied: Ein klassischer Doppelboden ist eine übergeordnete Trendwendeformation nach einem langen Abwärtstrend. Sie bildet sich in der Regel über mehrere Monate aus (ähnlich wie die Top-Formation im DAX).
Die aktuelle W-Formation im S&P 500 (und den anderen US-Indizes) ist jedoch nur Teil der relativ kurzen Korrektur seit Oktober. Folglich entstand sie auch viele schneller. Im Rahmen dieser Korrektur zeigt sie also keinen Trendwechsel an, sondern eine mögliche Wiederaufnahme des vorherigen Aufwärtstrends. Sie ist also so gesehen formal eine Fortsetzungsformation.
Nun könnten Sie fragen: Welcher Aufwärtstrend? Schließlich sah zuletzt auch in den US-Indizes alles nach einer Seitwärtsbewegung aus, die auch aus fundamentaler Sicht angemessen wäre, wie wir hier schon mehrfach betont haben.
Es gibt sogar noch einen Aufwärtstrend!
Aber es gibt noch einen letzten möglichen Aufwärtstrend – schließlich haben sich im Jahresverlauf trotz aller Rückschläge immer noch höhere Tiefs im S&P 500 gebildet. Und dieser Aufwärtstrend hat sogar einige markante Bestätigungspunkte (siehe blaue Kreise im folgenden Chart).
Und selbst die Tiefs vom Oktober und November kann man in gewisser Weise als Bestätigung dieses Trends ansehen, denn es gab im Wesentlichen nur Intraday-Fehlausbrüche daraus.
Dieser Trend könnte zusammen mit der W-Formation die Bullen aus ihrem verfrühten und saisonal unpassenden Winterschlaf reißen. Selbst ein erstes Wecksignal erkennen wir schon: Am Freitag brach der Kurs über die rote Abwärtslinie aus – nachdem der Kurs am Donnerstag noch an dieser Linie scheiterte. Damit ging auch ein deutlicher Volumenimpuls einher, der dieses bullishe Signal unterstreicht.
Was die Bullen nun schaffen müssen
Aber wie gesagt, das ist nur ein allerstes Wecksignal für die Bullen. Mit Blick auf die mögliche W-Formation gibt es für sie nun nicht mehr allzu viel Spielraum: Sie müssen den Kurs schnellstens bis an die blaue Linie treiben. Dabei dürfen sie aber nur wenige Abstriche an der bisherigen Aufwärtsdynamik machen, damit die Symmetrie der Formation nicht verlorengeht – denn das wäre in Warnsignal dafür, dass sie womöglich scheitert.
Wenn die Bullen die blaue Linie erreicht haben, müssen sie auch bald darauf den Ausbruch nach oben schaffen, und zwar ebenfalls dynamisch und mit einem starken Impuls, der idealerweise auch von einem erneuten Volumenschub begleitet wird.
Ein verheißungsvolles Kursziel
Wenn ihnen das gelingt, dann könnte es in den verbleibenden Wochen des Jahres doch noch eine Rest-Jahresendrally geben. Denn das Kursziel aus der W-Formation ist recht verheißungsvoll:
Dazu wird der Abstand des Tiefs zur blauen „Durchbruchslinie“ gemessen (unteres gelbes Rechteck) und dann von dieser Linie aus nach oben abgetragen (oberes gelbes Rechteck). Damit landet man fast exakt an der 3.000-Punkte-Linie – der nächsten großen runden Marke. Vom anderen Tief aus gemessen, wird es sogar noch etwas mehr, aber wir können natürlich davon ausgehen, dass diese runde Marke als recht starker Widerstand wirkt.
Aber immerhin: Die Bullen haben damit ein klares Ziel vor Augen, auch wenn sie das in diesem Jahr wohl nicht mehr erreichen werden. Aber die saisonal positive Börsenphase geht ja bekanntlich bis April. Wichtig ist jetzt nur, dass die Bullen endlich aus ihrem Winterschlaf wachgerüttelt werden.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
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