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Übertreibung beim Ölpreisverfall
Ausgabe vom 30.11.2018
Übertreibung beim Ölpreisverfall
von Sven Weisenhaus
Der Verfall der Ölpreise ist derzeit ein heißes Thema. So fragte mich vorgestern ein Leser, wann ich „mal wieder etwas über Erdöl“ schreibe. Dabei hatte ich dazu erst vor exakt zwei Wochen viele Informationen geliefert. Doch die Kursentwicklung sei „ja nicht gerade alltäglich“, so der Leser weiter. Und damit er auch völlig Recht. Ein Kurseinbruch um mehr als ein Drittel binnen nur zwei Monaten ist definitiv etwas Besonderes.
Und da der Ölpreis inzwischen tief in die ehemalige Handelsspanne zwischen ca. 46 und 58 USD (siehe gelbes Rechteck im folgenden Chart) zurückgefallen ist, scheint meine Erwartung einer Stabilisierung am oberen Ende der Range inzwischen auch hinfällig zu sein.
Doch der aktuelle Kurseinbruch von 35 % binnen zwei Monaten ist eine eindeutige Übertreibung. Mit fundamentalen Marktgegebenheiten scheinen die aktuellen Kursentwicklungen nichts mehr zu tun zu haben.
Hedgefonds könnte Ölpreisverfall verstärkt haben
Stattdessen scheinen in Schieflage geratene Spekulationen eines Hedgefonds (optionsellers.com) für den fortgesetzten Öl-Preisverfall verantwortlich zu sein. Dieser Fonds musste Medienberichten zufolge auch seine Long-Positionen auf den Ölpreis auflösen, weil ein anderer Trade auf die Preise für Erdgas zu weit ins Minus lief und den Fonds ruinierte. Und durch den Not-Verkauf der Long-Positionen auf Öl wurde der Ölpreis weiter gedrückt, obwohl es dafür keine fundamentalen, sondern rein spekulative Gründe gab.
Saudi-Arabien unter dem Einfluss von Trump?
Zudem wird von einigen Beobachtern angenommen, dass sich Saudi-Arabien derzeit zumindest teilweise unter dem Einfluss von Trump befindet und Riad auf seinen Wunsch hin den Einbruch beim Ölpreis hat geschehen lassen. Saudi-Arabien hatte jedenfalls seine Förderung im November um 500.000 Barrel auf einen Rekord von 11,1 bis 11,3 Millionen Barrel pro Tag deutlich angehoben und war daher für den aktuellen Preisverfall zumindest mitverantwortlich. Diese Erhöhung der Förderung erfolgte, obwohl der Ölpreis im Oktober bereits bis auf 64 USD nachgegeben hatte. Das zusätzliche Angebot verschärfte dann den Ölpreisverfall bzw. leitete diesen mit dem Rutsch unter die Haltemarke von 64 USD erst ein.
Donald Trump twitterte daraufhin eine freudige Botschaft Richtung Riad: Er dankte dem Königreich für die gesunkenen Ölpreise und animierte die Saudis, den Preis noch weiter nach unten zu treiben. Denn das, so der Präsident, wirke wie eine Steuersenkung für die US-Wirtschaft: Die Verbraucher hätten mehr Geld in der Tasche und könnten so mehr konsumieren.
Saudi-Arabien steckt im Dilemma
Saudi-Arabien steckt wegen der Ermordung des Regimekritikers Jamal Khashoggi in einem Dilemma. Eigentlich braucht das Land deutlich höhere Ölpreise (80 USD), um die hohen Staatsausgaben zu finanzieren. Und daher hatte man auch bereits für Dezember eine Förderkürzung um 500.000 Barrel pro Tag angekündigt. Doch andererseits wird behauptet, dass Saudi Arabien es sich derzeit nicht leisten könne, den US-Präsidenten zu verprellen, da Trump zurzeit noch eine der wenigen Verbündeten sei, die sich nach diesem Vorfall noch einigermaßen schützend vor das saudische Königshaus stelle.
Spannend wird daher auch das aktuelle G20-Treffen, das heute und morgen in Buenos Aires stattfindet. Dort soll es nicht nur zum Gipfel zwischen Trump und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping kommen, sondern auch zum Treffen zwischen dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Russland ist bei der Steuerung der Öl-Fördermengen der wichtigste Nicht-OPEC-Partner Saudi-Arabiens. Und am 6. Dezember findet das nächste OPEC-Treffen statt, bei dem über die künftigen Fördermengen beraten wird.
Öl-Förderungen auf Rekordkurs
Russland hatte seine Förderung, wie vor zwei Wochen bereits beschrieben, zuletzt auf 11,4 Millionen Barrel pro Tag erhöht - den höchsten Wert seit dem Ende der Sowjetunion. Die USA steigerten derweil die Produktion auf den Rekord von 11,6 Millionen Barrel pro Tag. Die weltweit größten und wichtigsten Ölförderländer überschwemmen also derzeit den Markt mit Öl, so dass, wie ebenfalls bereits beschrieben, das globale Ölangebot inzwischen die Nachfrage übersteigt. Daher wird es spannend, ob sich die OPEC über eine (erneute bzw. verlängerte) Förderbegrenzung einigen kann - die aktuelle läuft Ende 2018 aus. Wenn sich Saudi-Arabien doch noch dagegen ausspricht, würden damit die würden damit die oben genannten Spekulationen neue Nahrung bekommen.
Fazit
Es gibt derzeit viele Gründe für die gefallenen Ölpreise, die angesichts des Überangebots nachgeben mussten. Doch das aktuelle Niveau erscheint übertrieben – möglicherweise auch aufgrund unter Druck geratener Hedgefonds. Und diverse Ölförderländer dürften mit den aktuellen Preisen nicht zufrieden sein.
Um das Gleichgewicht am Ölmarkt aber wiederherzustellen und sicherzustellen, dass die Bestände nicht weiter steigen und die Ölpreise damit weiter fallen, wäre eine deutliche Produktionskürzung seitens der OPEC und ihrer Verbündeten (OPEC+) notwendig. Doch ob es dazu kommt, ist aus politischen Gründen derzeit fraglich. Am 6. Dezember wissen wir vielleicht mehr.
Die Schwäche der Ölpreise könnte also noch etwas anhalten. Mittel- bis langfristig sehe ich den Ölpreis der Sorte WTI aber eher wieder bei 60 als bei 50 USD. Und damit bleibt es im Grunde bei meiner Einschätzung von vor zwei Wochen, dass sich der Ölpreis letztlich im Bereich von 60 USD und damit am oberen Ende der ehemaligen Handelsspanne stabilisieren kann.
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Ihr
Sven Weisenhaus
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