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Im Streit um Zölle überschlagen sich die Ereignisse
Ausgabe vom 20.06.2018
Im Streit um Zölle überschlagen sich die Ereignisse
von Sven Weisenhaus
Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem es keine Meldungen über neue Handelszölle gibt. Und in den Mainstream-Medien wurden die jüngsten Kursverluste an den Aktienmärkten natürlich genau diesen Meldungen zugeschrieben. Insbesondere die erneuten Eskalationen im amerikanisch-chinesischen Handelsstreit seien für die starken Kursverluste im DAX verantwortlich. Dabei stellt sich mir dann nur die Frage, warum der DAX deutlich stärker und nachhaltiger abgegeben hat als die US-Indizes, obwohl deutsche Firmen doch von den Zöllen zwischen China und den USA nur indirekt betroffen sind - wenn überhaupt. Irgendetwas kann an der Argumentation der Medien also nicht stimmen.
Taktische Drohungen vs. Tatsachen
Ich will damit nicht behaupten, dass die angekündigten Zölle keine Auswirkung auf die Aktienkurse haben. Aber genau wie bei den jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank handelt es sich dabei bislang nur um verbale Absichtserklärungen. Im Streit um Zölle könnte man auch von Drohungen sprechen, die zunächst nur rein taktischer Natur sind. Am Ende zählen an den Märkten jedoch Tatsachen - wie zum Beispiel die Zinsanhebung der Fed. Und so erscheint es mir persönlich viel wahrscheinlicher, dass die erneute Zinsanhebung der US-Notenbank bzw. die Positionierung der FOMC-Mitglieder in Richtung einer vierten Zinsanhebung im laufenden Jahr der Auslöser für die jüngsten Kursverluste war. Dies bestätigt meines Erachtens auch der folgende Chart des Dow Jones recht eindrucksvoll.
Wie schon bei der Zinsanhebung im März kam auch die jüngste Abwärtsbewegung unmittelbar nach der Fed-Zinsentscheidung ins Rollen. Die Ankündigung neuer Zölle hat diese dann lediglich verstärkt. Und natürlich muss man die Entwicklungen der Zölle durchaus im Auge behalten. Denn hier scheinen sich die Ereignisse inzwischen zu überschlagen.
Trump droht China inzwischen mit Zöllen im Umfang von 200 Mrd. Dollar
Ganz vorne mit dabei ist natürlich US-Präsident Donald Trump, der inzwischen die Verhängung von neuen Zöllen auf chinesische Waren im Volumen von 200 Milliarden Dollar angekündigt hat. Zuvor war „nur“ von Zöllen die Rede, die sich auf 100 Milliarden Dollar summieren würden, wenn China auf die US-Zölle mit Gegenmaßnahmen reagiert. So sollten die Zölle nach dem Abschluss des juristischen Prozesses dann in Kraft treten, wenn China sich weigert, seine Praktiken zu ändern und zudem darauf besteht, seine jüngst angekündigten Gegenzölle umzusetzen.
Trump hatte erst am Freitag Strafzölle von 25 Prozent auf 1.102 Produkte aus China im Wert von 50 Milliarden US-Dollar verhängt. Als Reaktion kündigte Peking umgehend Vergeltungszölle auf amerikanische Waren im Wert von ebenfalls 50 Milliarden Dollar an.
EU-Staaten beschließen Gegenzölle
Aber das ist nur der Streit zwischen den USA und China. Die USA haben sich jedoch noch mit einigen anderen Ländern in einen Handelsstreit begeben. So haben zum Beispiel bereits am vergangenen Donnerstag die EU-Staaten ihre angekündigten Gegenzölle auf US-Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro beschlossen. Die Mitgliedsländer hätten „einstimmig“ für den Vorschlag der EU-Kommission gestimmt, hieß es dazu aus Brüssel. Die Zölle mussten anschließend noch formell von den EU-Kommissaren abgesegnet werden, was aber auf deren heutigem Treffen passiert ist. Die Zölle treten nun am kommenden Freitag, den 22. Juni, in Kraft.
Dieser Termin geht mit den WTO-Regeln konform. Hiernach hätten die Zölle frühestens heute in Kraft treten können. Die EU hatte ihre Gegenzölle in Höhe von 25 % vorsorglich schon vor Wochen bei der Welthandelsorganisation angemeldet. Die US-Zölle sollen dagegen nicht mit den Regeln der WTO vereinbar sein.
Gleichzeitig bereitet die EU-Kommission schon eine zweite Stufe von Strafzöllen vor. Diese sollen ab 2021 weitere US-Produkte im Wert von 3,6 Milliarden Euro belegen. In Summe würden so US-Waren im Wert von 6,4 Milliarden Euro ins Visier genommen - genau der Wert, mit dem die USA Stahl und Aluminium aus Europa mit Zöllen belegt.
Auch Mexiko und Russland kontern US-Zölle
Einige Tage zuvor hatte bereits Mexico Einfuhrzölle in Höhe von 20 % auf Schweinefleisch aus den USA verhängt. Die Entscheidung dazu sei Teil der Vergeltungsmaßnahmen der mexikanischen Regierung für die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle auch auf Stahl und Aluminium aus Mexico. Durch die Zölle seien 90 % der Schweinefleischimporte aus den USA betroffen. Das Volumen beträgt gut eine Milliarde Dollar pro Jahr.
Und erst gestern verkündete auch Russland, auf die amerikanischen Stahl- und Aluminiumzölle zu reagieren. Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin berief sich dazu auf Russlands Rechte als Mitglied der Welthandelsorganisation WTO.
China senkt Importzölle auf fast 1.500 Konsumgüter
Dabei zeigt die Eskalationsspirale durchaus bereits Wirkungen. Denn schon vor Tagen hatte China angekündigt, seine Importzölle auf fast 1.500 Konsumgüter zu senken - von Kosmetik bis zu Haushaltsgeräten. Der durchschnittliche Zollsatz falle auf 6,9 % von derzeit 15,7 %, kündigte das Finanzministerium in Peking dazu an. Das entspreche einer Senkung um 60 %. Die neue Regelung trete am 1. Juli in Kraft. Und schon im Dezember hatte China die Zölle auf knapp 200 Produkte von 17,3 % auf 7,7 % gesenkt, darunter Lebensmittel, Pharmaartikel und Bekleidung. Daneben hatte China kürzlich ein Angebot zum Kauf von US-Gütern im Wert von knapp 70 Milliarden Dollar vorgelegt. Dies würde eine Steigerung von US-Exporten nach China um 53,8 % im Vergleich zu 2017 bedeuten.
Zu wenig, zu spät
Offenbar ist Trump dies aber zu wenig. Ihm ist das hohe Handelsdefizit seines Landes mit China, welches im vergangenen Jahr nach US-Angaben gut 375 Milliarden Dollar betrug, ein Dorn im Auge, das offenbar sofort „behandelt“ werden muss. Ob neue Zölle dagegen allerdings die richtige „Medizin“ sind, bleibt abzuwarten. Die zukünftigen Handelsbilanzen der Länder werden es zeigen.
Geldpolitik und Zölle lasten anhaltend, aber moderat auf den Aktienmärkten
Für die Aktienkurse sind diese Maßnahmen jedenfalls eher Gift - allerdings eines der Sorte, auf das man sich vorbereiten kann. Denn wie sich bislang zeigt, wurden schon sehr viele Zölle angekündigt, aber bislang nur relativ wenige tatsächlich verhängt. Selbst wenn nun Gegenmaßnahmen auf Gegenmaßnahmen folgen, so wird sich die Eskalationsspirale nur langsam drehen.
Genau wie die zunehmend restriktivere Geldpolitik der Notenbanken wird also auch der Handelsstreit nicht plötzlich besonders stark, sondern eher über einen längeren Zeitraum auf den Aktienkursen lasten. Und das passt sehr gut zu meiner Erwartung einer länger anhaltenden Seitwärtsbewegung der Aktienmärkte auf hohem Niveau, die sich mit dem jüngsten Kursrutsch im Dow Jones auch inzwischen konkreter zu etablieren scheint (gelbes Rechteck im Chart oben).
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Sven Weisenhaus
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