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Was Sie während der WM beim Trading beachten sollten
Ausgabe vom 18.06.2018
Was Sie während der WM beim Trading beachten sollten
von Torsten Ewert
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
die vergangene Woche brachte eine Reihe wichtiger Ereignisse für die Börsen (ZEW-Konjunkturerwartungen, Notenbanksitzungen von Fed und EZB, Verfallstag), die natürlich vordinglich den Raum in Ihrer Börse-Intern einnahmen. Aber es gab auch ein weiteres wichtiges Ereignis: der Beginn der Fußball-WM in Russland. Daher heute dazu, was Sie als Anleger darüber wissen müssen.
Fußball und Börse
Fußball ist die wichtigste Nebensache der Welt, heißt es. Papst Johannes Paul II – selbst bekennender Fußball-Fan – formulierte es ähnlich: „Unter allen unwichtigen Dingen ist Fußball bei weitem das Wichtigste.“ Aber nicht nur der Papst und viele Kolumnisten, auch Wissenschaftler und Banker sind fußballbegeistert. Und so verwundert es nicht, dass Großereignisse, wie eine Fußball-WM, immer wieder zum Anlass genommen werden für mehr oder weniger ernsthafte Betrachtungen über den Einfluss von WM-Fußballspielen auf die Börse.
Dabei gibt es zwei grundsätzliche Ansätze. Der erste basiert auf einer ökonomischen Sichtweise. Danach bringt eine Fußball-WM für das austragende Land einen Investitionsschub durch den Bau von Stadien, Unterkünften, Infrastruktur usw. Davon profitieren die ausführenden (Bau-)Firmen – gegebenenfalls eben an der Börse. Auch Sportartikelhersteller, wie Adidas und Nike, sollten laut dieser Theorie von der Fußball-WM durch Verkauf neuer Fan-Trikots usw. profitieren. Wenn man diesen Faden weiterspinnt, dann kann man alle möglichen „Profiteure“ eines solchen sportlichen Großereignisses finden.
Allein im Musterdepot meiner Stockstreet-Investment-Strategie gibt es drei bis vier Aktien von Unternehmen, die mit ihren Produkten oder Leistungen direkt oder indirekt an der WM beteiligt sind: Covestro stellt z.B. für den traditionellen Adidas-WM-Ball Polyurethanbeschichtungen her, die den Textilien, die im Ball verwendet werden, hervorragende Flugeigenschaften sowie eine extrem hohe Wasserbeständigkeit verleihen und zugleich für optimale Ballbeherrschung sorgen. Der Aufzughersteller Kone hat unter anderem im Lushniki-Sportpark in Moskau Aufzugssysteme und Rolltreppen installiert und der Großküchengerätehersteller Rational liefert für den Koch der deutschen Fußballnationalmannschaft Hochleistungs-Zubereitungssysteme, mit denen das 60- bis 70-köpfige Mannschaftsteam dreimal täglich mit mehreren Gängen versorgt werden kann. Und vermutlich landen bei der Munich Re einige der Versicherungskontrakte zur Rückversicherung, die unter anderem der Versicherungskonzern Allianz für die WM in großem Umfang abgeschlossen hat.
Was eine WM ökonomisch wirklich bringt
Doch schon diese kurze Aufzählung zeigt: Für merkliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen sind solche Projekte bei den genannten Großkonzernen viel zu klein. Sie sind zwar prestigeträchtig und machen sich daher gut in Hochglanzbroschüren und Pressemeldungen, aber ihr Geld verdienen die Unternehmen anderswo. Das müssen sie auch, schließlich ist eine Fußball-WM nur alle vier Jahre.
Auch bei den Sportartikelfirmen hinterlässt eine Fußball-WM keinen wirtschaftlichen Effekt, der an der Börse konkret und eindeutig reproduzierbar messbar wäre. Dazu der folgende Chart:
(Quellen: MarketMaker, Wikipedia, eigene Berechnungen)
Den „NAP-Index“, der im Chart gezeigt wird, habe ich berechnet aus den jährlich gleichgewichteten Kursen der drei großen Sport-Aktien, Nike, Adidas, Puma (= NAP). Nun kann man zwar bis 2002 eine positive Kursreaktion bei diesen Aktien im Vorfeld einer Fußball-WM erkennen (rote Punkte), aber das dürfte hauptsächlich an der positiven damaligen Börsenlage insgesamt gelegen haben – denn danach verliert sich dieses Muster. Auch andere sportliche Großereignisse, wie die Olympischen Sommer- und Winterspiele (grüne Dreiecke), hatten allenfalls sporadisch positive Effekte.
Mythos statt heißer Tipp
Das ist auch logisch, denn wenn man noch weitere Sport-Highlights wie Kontinentalmeisterschaften hinzunimmt, hätten diese Unternehmen und ihre Aktien faktisch jährlich einen vermeintlichen Kurstreiber. Auch die Champions League oder der Super Bowl in den USA finden jedes Jahr statt. Aktien können aber nun mal nicht immer steigen und solche absehbaren und permanenten „Kurstreiber“ haben auf Dauer einfach keine Wirkung mehr – weil sie letztlich sofort eingepreist werden.
Der vermeintliche „heiße Tipp“ mancher Börsenzeitschrift, im Jahr vor einer Fußball-WM auf Adidas und Co. zu setzen, ist also eher ein Mythos als eine Anlagestrategie. Da erscheint es sinnvoller, ständig in der Sportartikelbranche investiert zu sein. Denn der Indexverlauf des NAP-Index in den vergangenen mehr als 30 Jahren ist schon beeindruckend – trotz zwischenzeitlicher kräftiger Kursrückgänge. Diese hätte man dann z.B. gut für Nachkäufe nutzen können.
Fußballeuphorie auch an der Börse?
Der zweite Ansatz, mit dem man als Anleger angeblich von einer Fußball-WM profitieren kann, soll der Sieg oder die Niederlage einer Mannschaft oder gar der Gewinn des Weltmeistertitels sein. Dutzende Untersuchungen zu diesem Thema wurden in den vergangenen Jahren durchgeführt. Selbst honorigste Banken haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Was auch nicht verwundert, denn – wie eingangs erwähnt – Fußballfans gibt es überall. Aber irgendwie scheinen all diese fußballbegeisterten Analysten dem Glauben verfallen zu sein, dass man unbedingt auch an der Börse irgendeinen Effekt messen muss, wenn z.B. Brasilien wieder einmal zaubert.
Während also die vermeintliche Logik für den ersten Ansatz strikt ökonomisch ist, basiert sie für diesen zweiten Ansatz auf einer rein stimmungstechnischen Sichtweise: Die gute Stimmung nach einem gewonnenen WM-Spiel und natürlich vor allem der Titelgewinn soll sich auch auf die Börsen übertragen. Deshalb steigen dann die Kurse – so die verblüffend einfache „Theorie“ hinter diesem Ansatz.
Verheißungsvolle Ergebnisse
Nun beschleichen einen schon nach kurzem Nachdenken mit dem gesunden Menschenverstand Zweifel an dieser These: Klar, verbessert ein Sieg bei einem WM-Spiel auf breiter Front die Stimmung im Land des Siegers. Man denke an ausgelassene Fan-Partys, Autokorsos und Ähnliches. Und diese gute Stimmung mag auch hier und da einen wirtschaftlichen Impuls auslösen: Es werden mehr Bier und Grillzutaten gekauft oder auch Fanartikel.
Aber das sind kurzfristige Effekte, die zudem im gesamtwirtschaftlichen Rahmen wenig Wirkung entfalten dürften. Dagegen erschließt es sich ganz und gar nicht, warum selbst ein WM-Titelgewinn zu längerfristigen stimmungsgetriebenen Kursanstiegen an den Börsen führen sollte. Man stelle sich einfach Folgendes vor: Der gemeine Fußballfan geht voller Euphorie über den gewonnenen WM-Pokal zur Börse und ordert Aktien – und das Woche für Woche, mehrere Monate lang. Eine absurde Vorstellung, oder?
Dennoch gibt es Untersuchungen, die genau das verheißen. So wollen Goldman-Sachs-Analysten herausgefunden haben, dass die Börse im Land des Fußball-Weltmeisters im Monat nach dem Titelgewinn stets haussierte. Angeblich sei diese Regel seit 1974 nur einmal durchbrochen worden.
Wie stark die Börse nach WM-Spielen „bebt“
Für meine Leser der Stockstreet Investment Strategie habe ich diese These mal spaßeshalber überprüft. Sie ist jedoch mehr Wunsch als Wirklichkeit. Denn es gibt zwar derartige positive Effekte, aber mitunter stiegen die Kurse der „Verlierer-Börse“ stärker als die der „Gewinner-Börse“. Oder die „Gewinner-Börse“ stieg zwar, hinkte aber dem Gesamtmarkt hinterher. Und in schwachen Börsenphasen, wie 2002 und 2010, war weder mit dem Gewinner noch dem Verlierer der sprichwörtliche Blumentopf zu gewinnen. Auch 2014 fiel der DAX nach Deutschlands Titelgewinn erst einmal kräftig: -6,8 % innerhalb der nächsten vier Wochen.
Die einzige wirklich wissenschaftliche Studie, die ich zu diesem Thema gefunden habe und die belastbare Ergebnisse präsentiert, ist eine Arbeit dreier Universitätsprofessoren aus den USA und Norwegen. Diese Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass – und jetzt halten Sie sich fest! – ein Ausscheiden in der KO-Runde der WM zu einem anormalen Verlust des jeweiligen Länderindex am darauffolgenden Börsentag von 49 Basispunkten führt. Das sind -0,5 % – wow!
Am Wochenende des 30.6./1.7. finden die ersten vier Achtelfinals (KO-Runden) statt – also sollten Sie sich den darauffolgenden Montag schon mal fürs Power-Trading frei nehmen. Immerhin locken vier richtig „lukrative“ Short-Trades! Zumindest, wenn die Kurse nicht gerade steigen. Viel Glück, jedenfalls…
Da hätte man selbst drauf kommen können!
Aber im Ernst: Das Ergebnis der Studie klingt plausibel, auch wenn es eigentlich erstaunlich ist, dass es überhaupt einen so klaren (wenn auch nur sehr kleinen), stabil messbaren Effekt gibt. Aber sofern solche Spiele überhaupt einen Einfluss auf die Börsen haben, dürfte dieser tatsächlich nur von sehr kurzer Dauer sein.
Ein anderes nachvollziehbares Ergebnis liefert – und auch jetzt bitte wieder vorsichtshalber hinsetzen – die EZB. Ja, auch die scheinbar humorlosen Notenbanker beschäftigen sich offenbar hin und wieder mit Nichtigkeiten wie Fußball – wer hätte das gedacht! Und ausgerechnet der Chef-Analyst der EZB fungiert als Co-Autor einer Studie, die allerdings keine so wirklich überraschenden Ergebnisse liefert. Ihr kurzes Fazit: Während der WM-Spiele gehen die Börsenumsätze zum Teil drastisch zurück, weil „die Leute abgelenkt sind“.
Börsianer gucken also auch Fußball, statt zu traden – da hätte man glatt selbst drauf kommen können! Erstaunlich sind nur die Ausmaße dieser Ablenkung: Laut EZB geht der Umsatz im Durchschnitt um 40 % zurück, wenn die eigene Mannschaft mitspielt. In fußballverrückten Ländern wie Brasilien und Argentinien kann der Umsatzeinbruch auch schon mal 75 oder gar 80 Prozent betragen. Damit kommt der Börsenhandel praktisch zum Erliegen.
Der ultimative Fußball-Tipp für Börsianer
Es scheint nun naheliegend, für den eigenen Handel während der Fußball-WM auf Börsenplätze auszuweichen, die nicht „fußballverseucht“ sind. Erste Wahl scheint dafür die US-Börse zu sein: Fußball – in den USA Soccer genannt – läuft dort sportlich immer noch eher unter „ferner liefen“ und die US-Mannschaft ist bei der WM nicht dabei. Also sollte es keinen stärkeren Handelseinbruch geben.
Andere Märkte, die infrage kommen, könnten Italien, Niederlande und Österreich sein, deren Teams ebenfalls kein WM-Ticket ergattert haben. Doch Vorsicht: Laut der EZB-Studie gehen die Handelsumsätze auch dann zurück, wenn die eigene Mannschaft nicht spielt. Oder haben Sie heute nicht nebenbei ein bisschen auf das Schweden-Spiel geschielt oder gehört? Na, sehen Sie!
Der Umsatzeinbruch liegt ohne Beteiligung der eigenen Mannschaft immerhin noch bei deutlichen 30 % im Durchschnitt aller untersuchten 15 Länder der Studie. Und da etliche Italiener, Österreicher und Niederländer begeisterte Fußball-Fans sind, auch wenn die eigene Mannschaft nicht bei der WM dabei ist, werden sie trotzdem zugucken. Schon um Deutschland verlieren zu sehen… (Träumt weiter, Leute!)
Und erfahrene Trader wissen: Nur wenig steht einem erfolgreichen Trading so sehr im Weg wie ein mauer, lustloser und dünner Handel. Da bleibt man am besten an der Seitenlinie – egal aus welchen Gründen.
Vielleicht ist es also das Beste, ganz auf das Traden zu verzichten, wenn Fußball läuft. Man kommt ja doch irgendwie zu nichts…
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
Trader-Sentiment für 25. KW 2018 (18.06. - 22.06.)
von Sven Weisenhaus
Vor einer Woche hatte der Anteil der Pessimisten um 2,26 Prozentpunkte zugelegt. Das Bärenlager erlangte dadurch mit 54,46 % ein noch stärkeres Übergewicht. Und damit standen die Chancen für stärkere Kursgewinne im DAX noch besser als schon in der Woche zuvor.
Und tatsächlich konnte der DAX anschließend eine fast lupenreine Gewinnwoche auf das Börsenparkett legen (siehe dunkles Rechteck im folgenden Chart). Nur zu Wochenbeginn geriet der Index kurzzeitig unter den Schlusskurs der Vorwoche (blaue Linie). Doch von diesem Tief an war die Tendenz aufwärts gerichtet. Und mit freundlicher Unterstützung der Europäischen Zentralbank konnten sich die Bullen am Donnerstag über eine starke Aufwärtsbewegung freuen, die vom Wochentief bei 12.751,66 bis zum Hoch bei 13.170,05 Punkten zu einem Gewinn in Höhe von 418,39 Zählern bzw. 3,28 % führte.
Zwar bröckelten die Notierungen am Freitag noch etwas ab, doch es blieb mit am Ende 13.010,55 Punkten immerhin noch ein Wochengewinn in Höhe von 244 Zählern bzw. 1,91 %. Damit hat das Sentiment nun zum zweiten Mal in Folge wieder gute Dienste als Kontraindikator geleistet
Trotz der ordentlichen Kursgewinne im DAX bleiben die Anleger aber unverändert skeptisch. In der aktuellen Umfrage haben 54,99 % der Anleger den Weg in das Lager der Bären gefunden (zuvor 54,46 %).
Und da der Anteil der Pessimisten damit noch einmal leicht zugelegt hat, stehen die Chancen für weitere Kursgewinne im DAX erneut sehr gut.
Ihr
Sven Weisenhaus
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