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Vorsicht vor Börsenweisheiten zum US-Wahljahr
Ausgabe vom 27.09.2016
Vorsicht vor Börsenweisheiten zum US-Wahljahr
von Sven Weisenhaus
Mit dem ersten TV-Duell der beiden US-Präsidentschaftsbewerber wurde die heiße Phase im Wahlkampf eingeläutet. Dabei scheint es für die Börse nur einen wünschenswerten Sieger zu geben: Hillary Clinton. Denn die Reaktion der Börsen auf das Duell kann man als Erleichterung deuten: Risikoanlagen, wie Aktien, legten danach zu, während sichere Häfen, wie Anleihen, Gold oder der Yen nachgaben.
Börsen hassen Unsicherheiten
Diese ersten Marktreaktionen mögen nicht nur dadurch begründet sein, dass die erfahrene Politikerin Clinton berechenbarer erscheint, als der Politneuling Trump. In der Vergangenheit war es zudem oft so, dass auf einen Gewinn der amtsführenden Partei - im aktuellen Fall der Demokratischen Partei - ein positiver Aktienmarktverlauf folgte. Dies zumindest hat MFS Investment Management aus Boston für alle Wahljahre im Zeitraum von 1900 bis 2012 nachgerechnet.
Insgesamt spielte es demnach keine Rolle, ob die Demokraten oder die Republikaner am Ruder waren. Wenn die amtsführende Partei auch den nächsten Präsidenten stellte, legte der Dow-Jones-Index im jeweiligen Wahljahr im Durchschnitt um 14,6 Prozent zu. Verlor die amtsführende Partei, gab es im Durchschnitt ein Minus von 4,4 Prozent.
Der Grund für dieses Phänomen dürfte sein, dass die Börsen Unsicherheiten verabscheuen. Und wenn das wichtigste politische Amt zumindest in der Hand der gleichen Partei bleibt, ist die Chance auf Kontinuität in der Politik einfach höher.
Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten
Auch eine Studie des Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim kommt zu dem Ergebnis, dass die Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten nicht entscheidend für die Aktienmarktentwicklung ist. Dazu wurden die Ergebnisse sämtlicher US-Präsidentschaftswahlen seit dem 2. Weltkrieg und die Entwicklung des US-Aktienmarktes unter den verschiedenen Amtsinhabern analysiert. Und demnach sind Faktoren wie beispielsweise Finanzmarktschocks, Veränderungen bei Produktivität oder Rohstoffpreisen sowie das internationale Umfeld deutlich wichtiger als die Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten.
Zwar legte der S&P 500 unter Demokraten im Jahresdurchschnitt um 10,7 Prozent zu, während er unter Republikanern um lediglich 4,8 Prozent kletterte, doch lag dies nach der Analyse von Sal. Oppenheim eher an den großen Krisen, die eher zufällig in die Regierungszeit republikanischer Amtsinhaber fielen. Bereinigt man die Betrachtung um Krisen-Zeiträume, verringert sich der Vorsprung unter Demokraten auf nur noch rund einen Prozentpunkt.
Aktienmarktperformance in US-Wahljahren
Sal. Oppenheim mahnt daher zur Vorsicht vor populären Börsenweisheiten rund um die US-Wahlen. Das gilt auch für die Aktienmarktperformance. Blickt man auf den durchschnittlichen Kursverlauf des Dow Jones in US-Wahljahren seit 1900, so erkennt man insbesondere in der jeweils zweiten Jahreshälfte einen bullishen Verlauf.
Doch die mittlere jährliche Kursentwicklung des S&P 500 seit dem Jahr 1948 liegt im Gesamtzeitraum bei 8,6 Prozent, in Wahljahren hingegen nur bei 6,1 Prozent. Wahljahre sind also durchaus starke, aber keine besonders starken Aktienjahre.
Im laufenden Jahr erkennt man zwar durchaus Parallelen zum durchschnittlichen Kursverlauf in Wahljahren. So sehen wir die typischen Kursverluste zum Jahresauftakt, eine deutliche Erholung im März, eine erneute Schwäche von April bis Juni, gefolgt von Gewinnen im Juli/August.
Dennoch scheint sich die Kursstärke des Dow Jones dieses Mal auf das erste Halbjahr verlagert zu haben. Insofern könnte die Jahresendrally, die in durchschnittlichen US-Wahljahren besonders stark verläuft, dieses Mal deutlich schwächer ausfallen.
Chancen für den DAX stehen besonders schlecht
Für den DAX, der sich häufig die US-Indizes zum Vorbild nimmt, könnte dies zu einem verheerenden Jahresausklang führen. Denn er neigt in US-Wahljahren im Herbst ohnehin zu einer besonders starken Schwäch: Wenn also die Jahresendrally in den US-Indizes unterdurchschnittlich verläuft, dürfte dem DAX in diesem Zeitraum maximal eine Bodenbildung gelingen.
Positiver TV-Duell-Effekt hielt im DAX nur kurz
Vor diesem Hintergrund verwundert es auch kaum, dass der DAX heute nur sehr kurz vom positiven Effekt des TV-Duells profitieren konnte. Er startete zwar mit einer Aufwärtslücke in den Tag, doch gleich nach Handelsbeginn drängten die Bären den Index in die Abwärtsbewegung zurück, die seit dem Erreichen der rot gestrichelten Konsolidierungslinie eingesetzt hat (roter Pfeil im Chart).
An den ersten beiden Handelstagen der laufenden Woche hat der DAX damit dynamische Kursverluste hinnehmen müssen. Dadurch wurde inzwischen die untere Linie des (grünen) Aufwärtstrendkanals angesteuert (grüner Pfeil). Die Herbstschwäche, vor der hier an dieser Stelle frühzeitig gewarnt wurde, geht damit in die nächste Runde.
Und wenn bald der Aufwärtstrend bricht und dann auch noch die obere (dicke rote) Linie des ehemaligen Abwärtstrendkanals unterschritten wird, könnte dies den typischen Rücksetzer einleiten, der aus den saisonalen und zyklischen Kursmustern zu erwarten ist.
Sollte der Dow Jones allerdings seine aktuelle Schwäche abschütteln können und weiter dem saisonalen Verlauf folgen, wonach es ab Anfang Oktober bis zu den diesjährigen Wahlen im November zu dynamisch steigenden Kursen kommt, dann könnte der DAX seinen (grünen) Aufwärtstrend mit dem aktuellen Test (grüner Pfeil) bestätigen und fortsetzen.
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