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Wie schlimm kann der Handelsstreit für die Wirtschaft werden?
Ausgabe vom 15.05.2019
Wie schlimm kann der Handelsstreit für die Wirtschaft werden?
von Sven Weisenhaus
Lange Zeit tendierten die Aktienmärkte heute wieder nach unten. Doch dann machten sie um ca. 16:12 Uhr plötzlich einen deutlichen Satz nach oben und holten diese Verluste wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt lief die Meldung über die Nachrichtenticker, dass die US-Regierung plane, die Entscheidung über Zölle auf Auto-Importe aus der EU um bis zu sechs Monate zu verschieben. Bis zum 18. Mai hätte US-Präsident Donald Trump entscheiden müssen, ob EU-Autoimporte die nationale Sicherheit der USA gefährden. Doch laut einem Bericht von CNBC hätten sowohl Politiker der Demokraten als auch der Republikaner Trump zuletzt dazu gedrängt, auf Zölle gegen EU-Staaten zu verzichten, um sich ganz auf China konzentrieren zu können.
Nur eine moderate Korrektur trotz verschärftem Handelsstreit?
Die EU scheint damit zunächst aus dem Schneider. Doch es stellt sich noch die Frage, wie schlimm eigentlich der Handelsstreit zwischen China und den USA für die Wirtschaft werden kann. Zumal ich gestern mit Blick auf die jüngsten Kursverluste an den Aktienmärkten noch einmal geschrieben hatte, dass die neuerlichen Rücksetzer zumindest vorerst noch relativ moderat bleiben könnten. Diese Erwartung hatte ich auch schon aufgrund der Saisonalität geäußert (siehe Börse-Intern vom 7. Mai). Doch wie passt das zu der deutlichen Verschärfung im Handelsstreit, die es jüngst gegeben hat?
Tatsächlich sehe ich in dem Handelsstreit zwischen den USA und China aktuell nicht das Potential, die Aktienmärkte in einen Bärenmarkt zu drücken. Denn der Warenhandel zwischen den beiden Ländern wird durch die Zölle zwar zweifelsfrei beeinträchtigt, die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft dürften aber überschaubar bleiben.
BIP-Wachstum der USA wird nur um 0,3 Prozentpunkte gedrückt
So geht die Prognosefirma Oxford Economics zum Beispiel derzeit davon aus, dass die aktuellen Strafzölle die Wirtschaftsleistung der USA „nur“ um 62 Milliarden Dollar reduzieren. Das Bruttoinlandsprodukt würde damit lediglich um 0,3 Prozentpunkte gedrückt. Mit Blick auf das BIP-Wachstum der USA im 1. Quartal 2019 von 3,2 % scheint dies ein überschaubares Problem zu sein.
Chinas BIP-Wachstum wird nur um 0,4 Prozentpunkte gedrückt
Ähnlich hinnehmbar sieht die Problematik für China aus. Die Analysten von HSBC Global Research schätzen, dass das Wachstum Chinas in den kommenden zwölf Monaten gerade einmal um 0,4 Prozentpunkte niedriger ausfallen wird. Da die chinesische Regierung für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts 2019 aber eine Zielspanne von 6 % bis 6,5 % festgelegt hat, könnte es sein, dass man das schwächere Wachstum am Ende in den BIP-Zahlen gar nicht bemerkt. Denn wenn das Wachstum ohne Handelsstreit tatsächliche bei 6,5 % gelandet wäre, es aber durch die Zölle nur um 0,4 Prozentpunkte geringer ausfällt, würde das Wachstumsziel mit 6,1 % immer noch erfüllt.
US-Zölle auf alle chinesischen Importe wären problematischer
Deutlich problematischer würde es für Chinas Wirtschaft erst, wenn auch die aktuell noch unverzollten Produkte im Gegenwert von rund 300 Milliarden Dollar mit 25 % verzollt würden. Dies würde die Wirtschaftsleistung der Volksrepublik laut HSBC um weitere 1,2 Prozentpunkte abbremsen. Und damit wäre das Wachstumsziel von 6 % bis 6,5 % wohl nicht mehr erreichbar. Aber auch ein Wachstum von rund 5 % wäre für China sicherlich kein Beinbruch. Zumal die chinesische Regierung noch genügend Mittel hat, um die Wirtschaft mit entsprechenden Maßnahmen im Falle einer Verschärfung des Handelsstreits zu unterstützen.
Negative Auswirkungen können mit Konjunkturmaßnahmen abgefedert werden
In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Börse-Intern vom 08.03.2019 mit dem Titel „Handelsstreit: Panikmache ist übertrieben“. Damals hatte ich die erwarteten Einbußen der chinesischen und der US-amerikanischen Wirtschaft ins Verhältnis zum BIP gesetzt und bereits geschrieben, dass die Auswirkungen relativ gering sind und die „Wunden“ mit ein paar Konjunkturmaßnahmen schnell „heilen“ dürften.
Genau zu diesem Zeitpunkt hatte die chinesische Regierung auch gerade erst die Steuerlast und die Sozialabgaben für die heimischen Unternehmen um fast zwei Billionen Yuan (etwa 263 Milliarden Euro) gesenkt. Das Haushaltsdefizit sollte dadurch lediglich von 2,6 % der Wirtschaftsleistung im Vorjahr auf 2,8 % steigen. Und diese Zahlen zeigen, dass China noch über genügend Mittel verfügt, um die Auswirkungen des Handelskonflikts für die heimische Wirtschaft zumindest abzufedern.
Ähnliches gilt für die USA. Auch hier gibt es bereits Pläne, die Auswirkungen der Zölle durch staatliche Maßnahmen abzufedern.
Selbst im schlimmsten Fall nur eine Seitwärtskonsolidierung
Und daher rechne ich zurzeit zumindest noch nicht mit einem Trendwechsel an den Aktienmärkten hin zu einem Bärenmarkt. Selbst wenn die Trump-Regierung auch noch die übrigen Zölle beschließt, um damit die gesamten chinesischen Importe mit Zöllen zu belegen, und China mit weiteren Gegenmaßnahmen reagiert, gehe ich zwar von stärkeren Kursverlusten an den Aktienmärkten aus, doch dann sollten die Kurse lediglich in den Bereich von Ende 2018 zurückfallen. Und hier könnte sich dann die „große Seitwärtskonsolidierung auf hohem Niveau“ weiter etablieren.
Aktuell sind diese übrigen Zölle aber noch nicht beschlossen. Und daher glaube ich noch an eine moderatere Korrektur bzw. Konsolidierung an den Aktienmärkten.
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Ihr
Sven Weisenhaus
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