Börse-Intern
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Was die jüngste Stärke des NASDAQ wert ist
Ausgabe vom 09.07.2018
Was die jüngste Stärke des NASDAQ wert ist
von Torsten Ewert
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
am Freitag konnten die Bullen mal wieder jubeln: Die US-Indizes zeigten sich stark und brachen aus ihren bearishen Fortsetzungsformationen nach oben aus (siehe auch Börse-Intern vom 06.07.2018). Doch die Frage ist, was diese neue Stärke wert ist.
Der NASDAQ 100 hat seinen Fehlausbruch wettgemacht!
Ein besonders bullishes Signal sendete dabei der NASDAQ 100. Und regelmäßige Leser meiner Beiträge wissen: Der NASDAQ 100 gilt gewöhnlich als Vorläufer und Schrittmacher der US-Märkte. „Droht“ also wieder eine Rally? Werfen wir dazu zunächst einen Blick auf den NASDAQ100-Chart:
Die Kerze vom Freitag (siehe blaue Ellipse) ist nahezu uneingeschränkt bullish: ein langer weißer Körper, der kaum „Schatten“ nach oben und unten hat. Mit dieser Kerze brach der NASDAQ 100 zudem klar aus der bisherigen Bodenbildungsformation nach dem Rückfall von Mitte Juni aus (siehe roter Bogen) und übersprang auch deutlich die Marke von 7.169 Punkten (rote Linie). Diese Linie markiert das alte Allzeithoch vom März, das der Index zwar Anfang Juni überwand, unter das er dann jedoch wieder mit einer großen Kurslücke (siehe graues Rechteck) zurückfiel.
Diesen Fehlausbruch machte der NASDAQ 100 damit wett. Das ist auch deshalb so bedeutsam, weil die jüngste Konsolidierung innerhalb des roten Bogens charttechnisch eine Fortsetzungsformation innerhalb der Abwärtswelle darstellte, die mit dem Rückfall von Mitte Juni begann. Diese Abwärtswelle hätte eigentlich weitergehen sollen, könnte aber nun komplett hinfällig sein.
Noch mehr bullishe Hinweise im NASDAQ 100
Es gibt aber noch mehr bullishe Hinweise! So verteidigte der NASDAQ 100 im Juni mehrfach die runde 7.000-Punkte-Marke (siehe Pfeile). Nur einmal schloss er tiefer – sonst gelang ihm stets die Rückkehr über diese Marke, wenn er im Tagesverlauf mal darunter zurückfiel. Und mit den jüngsten beiden Tiefs innerhalb des roten Bogens bestätigte er zudem einen neuen möglichen Aufwärtstrend (grün), der auch auf der Oberseite noch voll intakt ist und damit ohne Weiteres fortgesetzt werden könnte. Für die Bullen bleiben im NASDAQ 100 damit eigentlich keine Wünsche offen.
Warum „eigentlich“? Weil damit die sprichwörtliche Kuh noch nicht vom Eis – äh, vom glatten Börsenparkett – geholt wurde. Gemeint ist die „Branchen-Kuh“ in Form einer bearishen Branchenrotation.
Deren Prinzip dürfte klar sein: Wenn die Anleger defensive Branchensektoren wie Versorger, Telekom oder Gesundheit bevorzugen und dagegen zyklische bzw. risikoreichere wie Technologie, Industrie und Chemie meiden, dann bringen sie offenbar ihre Schäfchen ins Trockene – rechnen also mit Ungemach an den Börsen.
Was die Branchenanalyse ergibt
Und genau das war in den vergangenen Wochen der Fall. Dazu die folgenden drei Übersichten:
(Quelle: MarketMaker)
Hier sehen Sie die klassischen 19 Branchensektor-Indizes der USA nach ihrer relativen Stärke (RS) gegenüber dem S&P 500 sortiert. In der linken Tabelle erfolgte diese Sortierung über die vergangenen sechs Wochen per vergangenem Freitag, in der mittleren Tabelle über den gleichen Zeitraum per Anfang Juni (also vier Wochen zuvor) und in der rechten Tabelle über nur eine Woche, ebenfalls per vergangenem Freitag.
Für alle Tabellen gilt: Der RS-Wert in der jeweils rechten Spalte wird berechnet, indem zunächst das Verhältnis des jeweiligen Indexkurses am genannten Stichtag (6.7. bzw. 8.6.) zum Kurs sechs Wochen bzw. eine Woche zuvor gebildet wurde. Das gleiche Verhältnis wird für den S&P 500 berechnet. Die beiden Verhältnisse werden dann erneut dividiert. Als Ergebnis erhält man eine Aussage, wie stark die Veränderung des Sektorindex zum S&P 500 über den jeweiligen Zeitraum zum Stichtag war.
Wenn der Sektorindex dabei exakt genauso stark oder schwach wie der S&P 500 war, ergibt sich ein RS-Wert von 1,0. Lief der Sektorindex besser, steigt der RS-Wert über Eins, lief er schwächer, fällt er darunter. Durch die Sortierung nach den RS-Werten erhält man also eine Aussage, welche Branche am besten bzw. schlechtesten abgeschnitten hat – und damit ein Maß für die Risikobereitschaft bzw. die Risikoscheu der Anleger. Diese wiederum gelten als bullishe bzw. bearishe Stimmungssignale.
Zur besseren Veranschaulichung habe ich daher die zyklischen Sektoren grün (= bullish) gekennzeichnet und die defensiven rot (= bearish).
Ein ungewöhnlich eindeutiges Ergebnis
Die Analyse ergibt nun ein ungewöhnlich eindeutiges Ergebnis: Per Ende vergangener Woche (siehe linke Tabelle) hatten ganz klar die defensiven Sektoren bei der relativen Stärke (RS) die Nase vorn: alle roten Felder liegen in der oberen Tabellenhälfte. Anfang Juni war es genau umgekehrt – da führten die zyklischen Sektoren (siehe mittlere Tabelle).
Interessant ist nun, was sich aufgrund der Stärke der US-Märkte zum Wochenende bei der Branchenrotation getan hat (siehe rechte Tabelle). Per Ende vergangener Woche haben sich nur der Technologie- und der Bausektor ins Vorderfeld schieben können. Und nur ein defensiver Sektor fiel deutlicher zurück. Sonst blieb es bei der RS-Dominanz der defensiven Sektoren, auch wenn sich das Feld etwas auseinandergezogen hat.
Als erstes Fazit können wir also festhalten: Die jüngste Stärke des NASDAQ 100 spiegelt sich noch nicht in einer generellen Abkehr der Anleger von ihrer zuletzt klar defensiven Haltung wider. Das ist auch logisch, schließlich war der Freitag vergangener Woche ja der erste richtig bullishe Tag seit langem.
Die Branchenrotation im Zeitverlauf
Noch anschaulicher wird die Bedeutung der Branchenrotation, wenn man sie im Zeitverlauf darstellt. Einen solchen Chart habe ich heute einmal für Sie erstellt:
(Quelle: MarketMaker, eigene Berechnungen)
Hier sehen Sie oben den S&P 500 mit seinen Wochenkerzen und unten die Änderung der relativen Stärke (RS) für alle zyklischen Sektoren (grün) und alle defensiven (rot) gemäß den obigen Tabellen. Im Vergleich mit dem Verlauf des S&P 500 erkennt man sehr gut, dass die klassische Interpretation der Branchenrotation viel für sich hat: Wenn die grüne Kurve über einen längeren Zeitraum steigt oder sich bei hohen Werten hält, ist das für den Gesamtmarkt bullish (siehe blaue Pfeile). Wenn dagegen die rote Kurve nachhaltig steigt, also die defensiven Sektoren wieder Zulauf erhalten, steuert der Gesamtmarkt zumindest auf eine Konsolidierung zu (siehe gelbe Pfeile).
Warum die Branchenanalyse kritisch zu werten ist
Daher muss man den jüngsten Anstieg der roten Kurve (siehe rote Ellipse) und den drastischen Stimmungsumschwung, der in den obigen Tabellen zum Ausdruck kommt, kritisch sehen. Es kann natürlich sein, dass dieser nur die (kleine) Korrektur im Juni widerspiegelt (siehe roter Pfeil). Aber erfahrungsgemäß kommt es bei einem so kleinen Kursrückgang nicht zu derart drastischen Favoritenwechseln bei den Sektoren, wie ihn die obigen Tabellen zeigen.
Es ist aber natürlich möglich, dass die Börsianer mit ihrer Bevorzugung der defensiven Branchen nur das Scheitern an der 2.800-Punkte-Marke im S&P 500 vorweggenommen haben, zu dem es Mitte Juni auch tatsächlich kam (siehe dunkelblaue Linie und schwarzer Pfeil im oberen Chartteil). Danach wäre eine größere Seitwärtsbewegung zu erwarten gewesen, wie sie Sven Weisenhaus hier in den vergangenen Wochen mehrfach skizziert hat. Im S&P 500 hätte dies einen Kursrückgang bis an die Tiefs vom April oder gar Februar (siehe grüne Zone) bedeuten können – also erneute Verluste von bis zu 10 %. Logisch, dass sich viele Anleger dagegen wappnen wollten und defensive Branchen und Werte bevorzugten.
Gibt es auch ein bullishes Szenario?
Wenn jedoch die starke bullishe Umkehr zum Schluss der Vorwoche der Anfang von Ende dieses Seitwärtsszenarios war, könnten die Sorgen der Investoren auch rasch wieder verfliegen. Dann dürften auch die defensiven Branchen wieder die Gunst der Börsianer verlieren.
Und genau darauf müssen wir in den kommenden Wochen verstärkt achten. Denn wenn das Risikoverhalten der Börsianer, gemessen an den Branchenfavoriten, nicht mit der Kursentwicklung Schritt hält, ist höchste Vorsicht angesagt. Dann könnte die Stärke des NASDAQ 100 in der Vorwoche nur ein Strohfeuer gewesen sein.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
Trader-Sentiment für 28. KW 2018 (09.07. - 13.07.)
von Sven Weisenhaus
Vor einer Woche lautete die Devise, nur mit großer Vorsicht auf einen möglichen Doppelboden im DAX zu setzen. Dieser hatte sich in der Woche zuvor abgezeichnet (siehe dunkles Rechteck im folgenden Chart). Doch ein großer Teil der Bären war in der Umfrage danach in das Lager der Bullen gewechselt. Das geriet dadurch mit einem Anteil von 55,45 % klar ins Übergewicht. Und bei einer derart bullishen Stimmung musste man im Sinne des Sentiments als Kontraindikator mit erneuten Kursverlusten rechnen.
Tatsächlich zeigte der DAX zu Beginn der vergangenen Woche (helles Rechteck im Chart) noch einmal deutliche Schwäche. Mit einer großen Abwärtslücke gaben die Kurse am Montag bis im Tief bei 12.132,72 Punkten um 1,4 % nach. Doch von da an legte der DAX kontinuierlich zu. Schon am Dienstag hatte er den Schlusskurs der Vorwoche (blaue Linie) zurückerobert. Und mit am Ende 12.496,17 Punkten schloss der Index nur wenige Zähler unter dem Wochenhoch und erzielte so einen Wochengewinn in Höhe von 1,55 %.
Hatten anfänglich also die Bären Recht, so lagen am Ende die Bullen richtig. Ob damit auch das Sentiment als Kontraindikator einen Punkt für sich verbuchen konnte, liegt wohl im Auge des Betrachters.
Nach der Kurserholung des DAX sind jedenfalls auch in der aktuellen Umfrage die Bullen in der Mehrzahl. Dieses Mal haben aber nur 51,59 % der Voting-Teilnehmer auf den Button für einen steigenden DAX geklickt.
Der Optimismus ist damit zwar zu einem Großteil verflogen, aber immer noch vorhanden. Und so sollte man auch in der neuen Handelswoche wieder mit einem Kursrücksetzer rechnen.
Ihr
Sven Weisenhaus
- Stockstreet-Team -
www.trader-sentiment.de
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