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So bereitet der Markt selbst langjährigen Profis Kopfzerbrechen
Ausgabe vom 09.07.2024
So bereitet der Markt selbst langjährigen Profis Kopfzerbrechen
von Sven Weisenhaus
Die neue Börsenwoche hat unspektakulär begonnen. Vielfach wurde gestern auf das überraschende Wahlergebnis in Frankreich hingewiesen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete zum Beispiel dazu: „Nach dem überraschenden Wahlsieg des in Teilen extrem linken Wahlbündnisses in Frankreich am Sonntagabend folgte am Montag die nächste Überraschung. Denn weder der perspektivisch größere Einfluss der Linken noch die Unsicherheit durch die unklare Regierungsbildung haben an den Finanzmärkten Unruhe ausgelöst.“
Abgesehen davon reichte es aus Sicht eines Anlegers, die Überschrift dieses FAZ-Artikels zu beachten, die da lautete: „Die Märkte lässt das Wahlergebnis kalt“. Bereits vor einer Woche hatte ich passend dazu geschrieben, dass derartige politische Börsen meist kurze Beine haben (siehe „Renditeanstieg am Anleihemarkt wieder nur vorübergehend?“).
Bullenfalle hatte am Montag noch keine bearishen Konsequenzen
Dennoch war es interessant zu beobachten, dass sich der DAX am Montag innerhalb der Handelsspanne vom Freitag bewegte und sich dadurch ein harmloser „Inside-Day“ ergab, wie der folgende Chart aus der heutigen Ausgabe des Chartanalyse-Dienstes „Target-Trend-Spezial“ zeigt. Denn das war angesichts der gefährlichen Bullenfalle, über die ich am Freitag berichtet hatte (roter Bogen), nicht unbedingt zu erwarten.
Die Investmentgesellschaft DWS lenkte daher in ihrem Marktbericht auch das Thema von den Wahlen auf die bevorstehende Berichtssaison zum 2. Quartal 2024, da es ansonsten nichts Neues zu berichten gab, auch weil die US-Märkte dank des Technologiesektors wieder einmal neue Rekordhöhen erreichten, so die DWS.
Erwartungen zur Gewinnentwicklung der S&P 500-Unternehmen
Laut Prognosen von JP Morgan sollen die Gewinne der S&P 500-Unternehmen in dem Zeitraum von Anfang April bis Ende Juni um 7,4 % gestiegen sein. Zacks Investment Research geht von +8,6 % aus, bei einem Umsatzanstieg von 4,7 %, nachdem es im 1. Quartal +7,0 % (Gewinn) bzw. +4,4 % (Umsatz) gewesen sein sollen. Und laut LSEG liegen die Analystenschätzungen für das 2. Quartal 2024 im Durchschnitt bei einem Gewinnanstieg von 10,1 % und einem Umsatzanstieg von 4,1 %, während die Daten für das 1. Quartal 2024 mit +8,2 % (Gewinn) bzw. +3,9 % (Umsatz) angegeben werden.
(Quelle: LSEG)
Wenn die Zahlen in einer solchen Weise voneinander abweichen, dann wird das Traden und Investieren an der Börse für Kleinanleger natürlich nicht gerade einfacher.
Man kann die Komplexität mit weiteren Zahlen aber noch weiter auf die Spitze treiben:
Für die kommenden 12 Monate erwartet die DWS, dass die Gewinne des S&P 500 je Aktie um 11 % auf 261 USD steigen. Getrieben werde dies durch ein Gewinnwachstum bei den sogenannten „Magnificent 7“ von 15-20 %, während es beim Rest nur rund 5 % sein sollen.
Schieflage des Marktes bereitet Kopfzerbrechen
Und damit sind wir wieder bei der Schieflage des Aktienmarktes. Dazu schreibt die DWS, dass die Zweiteilung an den Aktienmärkten zwischen den großen US-Tech-Werten und dem Rest im 2. Quartal 2024 weiter vorangeschritten sei. Die Magnificent 7 kamen auf ein Kursplus von 16,2 %, die restlichen 493 Werte des S&P 500 verloren hingegen 0,5 %. Der Nebenwerteindex Russel 2000 gab sogar um 3,3 % nach.
Diese ungleichverteilte Rally der US-Aktien bereitet laut DWS inzwischen auch einigen Brokern immer mehr Kopfzerbrechen. Während Mike Wilson, Stratege bei Morgan Stanley, es noch gewagt haben soll, seine Meinung kundzutun, dass eine Korrektur von 10 % sehr wahrscheinlich sei, gaben es die Kollegen vom Branchenkonkurrenten Piper Sandler schlicht auf, Zielwerte für den S&P 500 anzugeben, weil „der Index keinen Sinn mehr ergibt“.
S&P 500: Kaum Kurspotential wegen hoher Bewertung
Die DWS selbst legte derweil das S&P 500-Kursziel für Juni 2025 auf 5.600 Punkte fest. Aktueller Stand: 5.587 Punkte. Damit wird also erwartet, dass der S&P 500 in ca. einem Jahr letztlich um nur noch 13 Pünktchen bzw. 0,23 % steigen kann (vielleicht erst nach einer zwischenzeitlichen Korrektur um 10 %, wie es Mike Wilson erwartet?).
Dies vor dem Hintergrund, dass der Index bereits mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 21,5 bewertet ist, basierend auf den Gewinnen der letzten 12 Monate. Das sei eine Aktienbewertung, die deutlich über dem historischen Verhältnis zu Anleiherenditen oder einem normalen Niveau der Aktienrisikoprämie liegt, so die DWS.
DAX: Leichtes Kurspotential, aber bearishe Signale
Zum Vergleich: Das Kursziel der DWS für Juni 2025 lautet zum paneuropäischen Aktienindex STOXX 600 auf 530 (aktuell: 511) und zum deutschen Leitindex DAX auf 19.600 (aktuell: 18.225) Punkte. Das entspricht einem Kurspotential von 3,7 % bzw. 7,5 %. Passend dazu sollen die Gewinne der Unternehmen in Europa auf Jahressicht im Durchschnitt um etwa 6 % wachsen.
Die hiesigen Aktienmärkte haben also demnach immerhin leichtes Kurspotential, sie haben sich allerdings auch schwächer entwickelt als die Pendants in den USA – und heute sogar wieder bearishe Signale gesendet.
So blieb der DAX zwar mit dem gestrigen Tagesverlauf innerhalb der Handelsspanne vom Freitag, heute ist der Index aber deutlich abgerutscht. Mit dem Tageshoch blieb er bereits unterhalb der oberen Linie des flachen Aufwärtstrendkanals (siehe roter Pfeil im folgenden Chart), womit sich der Ausbruch nach oben doch noch als klare Bullenfalle entpuppt hat (roter Bogen). Zumal die Kurse auch noch unter die Rechteckgrenze bei 18.270 Punkten gerieten – mit einer langen roten Tageskerze.
Und so scheint das Szenario einer ABC-Korrektur Form anzunehmen, was nach dem gestrigen Kursverlauf so nicht mehr unbedingt zu erwarten war. Aber wie ich oben bereits schrieb, war nach der Bullenfalle vom Freitag auch der gestrige Kursverlauf so nicht unbedingt zu erwarten.
Der DAX macht es also vor allem kurzfristigen Tradern weiterhin alles andere als leicht. Hinzu kommt die ungleichverteilte Rally der US-Aktien, die das gesamte Marktgeschehen derzeit schwer einschätzbar macht. Wenn es deshalb also selbst professionelle Brokerhäuser aufgeben, Kursprognosen abzugeben, dann brauchen Sie sich nicht ärgern, wenn Ihnen dieser Markt aktuell auch Probleme bereitet. Sie befinden sich in guter Gesellschaft.
Ich wünsche Ihnen dennoch weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
www.stockstreet.de
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